: Theater um Theater beendet „SED-Bunker“ verschwindet
■ Das monströse Theaterprojekt am Potsdamer Alten Mark wird abgerissen/ Freifläche sollte Aufmarschplatz für Mai-Demonstrationen werden
Potsdam. Nach monatelangem Ringen hat das Theater um das Potsdamer Theater ein Ende gefunden. Die Stadtverordneten beschlossen am vergangenen Mittwoch endgültig den Abriß des noch von der SED begonnenen und heftig umstrittenen Theaterrohbaus am Alten Markt, der schon im vergangenen Jahrhundert als schönster Platz der Stadt gelobt wurde.
Die Entscheidung fiel im Senat nach einer langen Debattenschlacht schließlich mit Zweidrittelmehrheit.
In der Nachbarschaft zur Nikolaikirche, einem Hauptwerk Friedrich Schinkels, und zum historischen Rathaus ragt die unvollendete Betonruine in die Höhe und erregt die Gemüter der Potsdamer wie der Besucher der Stadt gleichermaßen. Die SED-Oberen wollten mit dem Neubau ausgerechnet an dieser historischen Stätte ein Denkmal setzen und sie beim Aufbau der „sozialistischen Bezirksstadt“ symbolisch für den Arbeiter- und Bauernstaat in Besitz nehmen.
Gegenüber der Freundschaftsinsel, auf dem Grundstück des ehemaligen Palais Barberini und des Stadtschlosses, sollte auf 5.600 Quadratmetern Grundfläche ein Mehrzwecktheater für 660 Zuschauer entstehen. Der vom Rat der Stadt ausgewählte Architekt Günter Franke hatte sich bei den Genossen durch Gestaltungskunst beim Bau des Flughafens Schönefeld und des Berliner Fernsehturms ausgezeichnet.
Die Freifläche vor dem 100-Millionen-Bau gegenüber der Nikolaikirche sollte ein Aufmarschplatz für Mai-Demonstrationen werden. Für die Führungsriege hatte Franke eigens einen Balkon am Theater vorgesehen. In der übrigen Zeit sollte die Fläche als Parkplatz dienen.
Widerstände aus der gesamten DDR und dem Ausland konnten die Baulust der damaligen Stadtväter nicht bremsen. Sogar die Bedenken des früheren DDR-Kulturministers Hans-Joachim Hoffmann blieben ungehört: Das Bau- und Montagekombinat der DDR zog die 28 Meter hohen Gleitkerne unverdrossen hoch.
Noch kurz vor den Kommunalwahlen im Mai 1990 wurde trotz inständiger Bitte des damaligen Runden Tisches in Potsdam der dritte Betonklotz errichtet und damit insgesamt 22 Millionen Mark für das ungeliebte Objekt verbaut.
Die demokratisch gewählten Potsdamer Kommunalpolitiker fanden sich schnell in einem Tauziehen um das Theater wieder. Der Intendant des Hans-Otto-Theaters, Gero Hammer, machte mobil für die Fortsetzung des Projekts. Er wollte schnell einen Ersatzbau für seine baufälligen Räume haben, setzte sich aber zwischen alle Stühle und verlor seinen Posten.
Bürgerinitiativen sammelten mehrere tausend Unterschriften und forderten vehement den Abriß der Betonklötze.
Für den Alten Markt eröffnen sich jetzt neue städtebauliche Möglichkeiten. Und der Abriß setzt auch in anderer Hinsicht Akzente: Wenn auch mühsam, bekennen die Potsdamer Politiker ihre Einsicht in das historische Erbe der Stadt. Nachdem auch der Wiederaufbau der Garnisonskirche befürwortet wurde, ist der Weg zu einem neuen Potsdam frei. Wo aber das Theater einen Platz finden soll, bleibt weiterhin offen. dpa
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