Theater um Mauerkreuze: Henkel wittert Komplizenschaft
Innensenator bezichtigt Gorki-Intendantin der Mittäterschaft – die entliehenen Kreuze sind zurück.
Die gestohlenen Gedenkkreuze für die Mauertoten sind zurück, aber das Theater geht weiter. Als neuer Komparse in der zum Nachdenken über das aktuelle Flüchtlingsdrama angelegten Kunstaktion ist nun Innensenator Frank Henkel (CDU) auf den Plan getreten.
Die weißen Gedenkkreuze, die am Bundestag an Mauertote erinnern sollen, waren Anfang November entwendet worden. Das „Zentrum für politische Schönheit“ – eine Gruppe von Polit- und Kunstaktivisten – hatte sich dazu bekannt, sie „entliehen“ zu haben. Die Aktion war Teil einer Kampagne, mit dem die Gruppe auf das Schicksal von Flüchtlingen aufmerksam machen wollte, die an den europäischen Außengrenzen ums Leben kommen.
Frühere DDR-Bürgerrechtler und CDU-Politiker zeigten sich empört. In diesen Chor stimmte nun auch Innensenator Henkel ein. In einem Gastkommentar für den Tagesspiegel schrieb er von einer „verabscheuungswürdigen Tat“. Niemand hätte Anstoß genommen, wenn der in der DDR aufgewachsene Henkel seine persönlichen Gefühle zum Verschwinden der Mauerkreuze niedergeschrieben hätte. Aber der Dienstherr der Polizei bezichtigte das Gorki-Theater und dessen Intendantin Shermin Langhoff der Komplizenschaft, die „offenbar mit Steuergeldern gefördert wurde“.
Die Oppositionsparteien forderten am Montag im Innenausschuss Aufklärung. Wenn der Innensenator solche Behauptungen aufstelle, müsse er sie belegen, so die Abgeordneten Canan Bayram und Benedikt Lux (beide Grüne). „Wird gegen Shermin Langhoff ermittelt, ja oder nein“? Henkel hatte die Sitzung zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen. Deshalb musste dessen Vertreter, Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU), Rede und Antwort stehen. Der stammelte: Der Innensenator habe eine politische und keine strafrechtliche Bewertung abgeben. Schließlich rettete sich Krömer, in Erklärungsnot, zu der Floskel: Man ermittele in alle Richtungen.
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft war deutlich auskunftsfreudiger. Gegen mehrere Beschuldigte werde wegen schweren Diebstahls ermittelt, hieß es auf taz-Nachfrage. Die Namen seien bekannt. Shermin Langhoff sei nicht darunter.
Die hatte die Aktion letzte Woche gegenüber der taz mit den Worten kommentiert: Damit werde Aufmerksamkeit für die katastrophale Situation der von Flucht betroffenen Menschen an den EU-Außengrenzen erzeugt. „Die Aktion nimmt die Vergangenheit als Auftrag ernst.“
Vier Personen haben die Kreuze laut Polizei am Sonntagabend zurückgebracht. Ihre Personalien seien festgestellt worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern