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■ QUERBILDThe Birdcage

Wie die Faust auf das berühmte Auge paßt Mike Nichols' amerikanisches Remake des Tuntenklassikers La Cage aux Folles ins Hier und Jetzt, und es ist nicht nur Glück, wenn die Verpflanzung in eine andere Zeit, auf einen anderen Kontinent so perfekt und zwingend funktioniert wie hier.

Die Geschichte ist altbekannt: Armand (Robin Williams) und Albert (Nathan Lane) führen seit Jahren ein erfolgreiches Transenkabarett und eine stürmische Beziehung der eher eisern-verwachsenen Art. Aus einem Hetero-Fehltritt hat Armand einen Sohn, Val (Dan Futterman), der eben im Begriff ist, zu heiraten. Daß die Erwählte Tochter eines ultrarechten Politikers ist, vereinfacht die Sache nicht unbedingt.

Gleich mehrere geniale Griffe haben Regisseur Mike Nichols und Drehbuchautorin Elaine May, die sich im übrigen erstaunlich eng an die Vorlage hielten, getan: die Handlung von der französischen Côte d'Azur an Miamis South Beach zu verlegen ist schon der erste. In dieser schwulen Stadt am Meer hat das Leben von Armand und Albert nichts Seltsames, nichts Komisches. Das Schrille ist hier Normalität. Und das zeichnet den anderen Blickpunkt von Nichols und May aus: Schon in Jean Poirets Vorlage liegen die Sympathien bei den Außenseitern, den Paradiesvögeln. Hier sind die Sympathieträger mit ihrem Außenseitertum nun längst nicht mehr komisch, weil fremd. Das Gewöhnliche ist hier das Fremde, und wird in seiner Schrecklichkeit kaum zur Karikatur verfälscht. Gene Hackman ist als Vertreter der Moral Majority schrecklich und zugleich wirklich, und auch die wunderbare Dianne Wiest ist ein Bild realer Bürgerlichkeit im nur leichten Zerrspiegel. Das beißt viel mehr. Und die Schwulen? Auch Robin Williams verweigert sich der Überzeichnung. Er ist angenehm und witzig und trägt keine Frauenkleider. Schön schrill ist nur der Komiker Nathan Lane als Volltunte mit Dackelgesicht.

Die Dinge, und das macht dieser unterhaltsame Film nebenbei deutlich, haben sich eben sehr verändert – und überhaupt nicht.

Thomas Plaichinger

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