The Battles: Musik gegen Hirnis
Live sensationell und auf Platte auch: The Battles aus New York, die neue Band um den Exschlagzeuger von Helmet.
B egänne dieser Text so: "Heißa, es gibt eine neue Supergruppe unter der Sonne!", würde die neue Supergruppe das hassen. Vor nichts hat die neue Supergruppe nämlich mehr Angst, als als neue Supergruppe, zusammengesetzt aus alten Superrecken, wahrgenommen zu werden. Sie sagt: Es ist verdammt noch mal völlig unwichtig, dass unser Schlagzeuger mal der Schlagzeuger von Helmet war und mit Mike Patton zusammenspielte, auch die Erfolge der anderen Bandmitglieder in der Alternativszene zählen nicht. Weil nämlich: Jetzt geht alles von vorn los, Startpunkt bei null bitte.
Und deswegen: Die Battles sind eine neue Band aus New York. Sie haben vor vier Jahren zusammengefunden, bislang zwei EPs veröffentlicht, und gerade ist ihr erstes richtiges Album herausgebracht. Bei Warp, dem legendären Londoner Label, das mal Aphex Twin und Autechre großgemacht hat. Und auch wenn Warp sich in den letzten Jahren schon ordentlich aus der Weirdo-Elektriker-Ecke rausbewegt und vor allem mit Maxïmo Park einen der dicksten Fische im Feld der lukrativ vermarktbaren Gitarrenbands unter Vertrag genommen hat: Die Battles bringen noch mal eine ganze Stange neuer Facetten in den Warp-Kosmos.
Das Genre: keins so richtig. Rock im weiteren Sinne, auf der Basis von gesampelten Loops und einem irrwitzig gekonnten Schlagwerk, garniert mit Surf-, Funk-, Jazz-, und Experiment-Einsprengseln. Eine Musik, die den Jahrmarkt mit dem Exerzierplatz verschneidet, die es schafft, gleichzeitig hochkomplex, supertight, voller zuckendem Groove und völlig albern zu sein. Eine Musik, die so tut, als wäre sie eine Coverversion eines Technotracks, der als Cover eines Rockklassikers gedacht war. Oder auch: Als würde eine Freejazz-Combo sich mit Steve Reichs Minimal Music verlustieren. Oder eher: Als würden Disney-Figuren auf einem Konzert von T. Raumschmiere singen.
Schlagzeuger John Stanier sagt zum Battles-Konzept: "Wir wollen Musik für die Massen machen. Wir wollen das Hirnimäßige, was auf unseren ersten beiden EPs noch stärker war, reduzieren." Gitarrist Dave Konopka ergänzt: "Wir steckten sofort nach der Bandgründung im Jahr 2003 in der Schublade 'intelligente Musik'. Da mussten wir wieder rauskommen. Wir wollen keine Musik machen für die ganzen tight-ass motherfuckers da draußen!"
Am Donnerstagabend standen die Battles in Berlin auf der Bühne. Während Ian Williams am Keyboard für Chaos und epileptisches Körperzucken zuständig war, Tyondai Braxton Melodiechen spielte und in sein Micky-Maus-Verzerrer-Mikrofon säuselte, hielt John Stanier großmeisterlich den Laden zusammen. Ganz vorne und ganz in der Bühnenmitte hockte er zusammengekauert über seinen Trommeln, streckte sich beizeiten zu seinem zwei Meter über ihm hängenden Becken und agierte durch alle wahnwitzigen Schnelligkeiten, Synkopen und Tempowechsel hindurch so klar und präzise, dass man verstehen konnte, warum der Mann am Mischpult ein T-Shirt trug, auf dem stand: "Drums not dead".
Die Battles sind der Beleg dafür, dass Antirockismus sexy ist. Dass das Warten auf eruptiv dümmliche Refrainergüsse überflüssig ist. Dass man keine Sänger als Signifikanz-Lieferanten braucht. Dass ständige Atmosphärewechsel nichts mit Improv-Etüden zu tun haben müssen. Die Battles erzeugen ein Feld von quasielektrischer Spannung, das sich niemals wirklich entlädt, sondern im Britzeln und Flirren den Vorwärtsdrang der Möglichkeit genießt.
Auch wenn sie bewusst die Nahbaren spielen, nach dem Konzert zu viert den Merchandise schmeißen und lächelnd Autogramme geben - es gilt zu vermelden: Heißa, es gibt eine neue Supergruppe unter der Sonne!
Battles: "Mirrored" (Warp)
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