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Teurer Tennis-Sonnenbrand

■ John McEnroe, Yannick Noah, Wally Masur und Tim Mayotte beehrten Hittfeld

Zumindest der lokale Sportausstatter ist beim Tennis-Showturnier in Hittfeld am Sonnabend voll auf seine Kosten gekommen: Yannick Noah hatte seine Tennissachen komplett vergessen und mußte kurzerhand neu eingekleidet werden. Auch John McEnroe brauchte schnell noch ein Paar Tennisschuhe, als er kurz vor Matchbeginn auf der Anlage vor den Toren Hamburgs eintraf. Jawohl, er war wirklich da, leibhaftig und in voller Lebensgröße. Aber irgendwie war es nicht so, wie es sich die Fans aus der Provinz vorgestellt hatten.

Vielleicht lag's am Wetter. Den ganzen Nachmittag brannte die Sonne lähmend auf den Platz und die eigens errichteten Tribünen, die sich nur spärlich füllten. „Wer hat schon die 100 Mark“, sinnierte eine Frau mit Sonnenbrille und Schirmmütze. Sie und ihre Nachbarin im braunen Baumwollkleid jedenfalls waren korrekt ausgerüstet, einschließlich mitgebrachter Thermoskanne. Weitere wichtige Accessoires waren bunte Tennismützen, Fächer und umfunktionierte Regenschirme. Der Kampf gegen die Sonne war allemal entscheidender als der um Spiel, Satz und Sieg.

Während unten auf dem Sandplatz Wally Masur den ersten Satz mit 6:4 gegen Yannick Noah gewann, wedelten einige Zuschauer mit Zwanzigern, um einen der Getränkeverkäufer auf sich aufmerksam zu machen. Die brachten lauwarmes Bier direkt aus der Kiste an den Mann. Noah bot dem kundigen Publikum derweil die Show, die es sehen wollte, etwa eine kleine Unterbrechung, um sich ein Eis zu holen. Und natürlich auch noch Tennis, immerhin gewann er das Match noch.

„Einige kommen nur wegen des Doppels her“, ärgerte sich ein älterer Mann in kariertem Hemd, Shorts und Sandalen, doch genau das fiel aus. Pfiffe und Buhrufe begleiteten die Bekanntgabe der Entscheidung des Veranstalters, die von der Ehrfurcht vor dem Fernsehtermin am Abend diktiert war. Doch dafür trat nun er auf – John McEnroe, immer noch drahtig, ständig beobachtet von seinen Bodyguards und den Fernsehkameras. Doch die bekamen in den folgenden drei Sätzen ein eher langweiliges Grundlinienduell zwischen McEnroe und Tim Mayotte zu sehen. Klaglos und ohne den früheren Ehrgeiz fügte sich der Ausnahme-Tennisprofi in sein Schicksal: Trotz einiger bejubelter Ballwechsel verlor McEnroe den entscheidenden dritten Satz mit 1:6. Das Publikum war schon vorher abgewandert.

Es folgte der Epilog: Während draußen eine Gruppe enttäuschter Zuschauer den Veranstalter zur Rede stellen wollte, begann in der angenehm kühlen Tennishalle, was eine Pressekonferenz sein wollte. Die beiden dekorativen Teller mit Chips und Flips vor John McEnroe blieben jedoch unangetastet, und nach schier endlosen zwanzig Sekunden ehrfurchtsvollen Schweigens der Medienvertreter ging der große Star eilig wieder. Er war, wie er in einer zweiten, diesmal 20minütigen Pressekonferenz am Sonntag mitteilte, eigentlich nur wegen der Musik in Hamburg gewesen. Ein schwacher Trost für alle, die für viel Geld sehen wollten, was er immer noch am besten kann: Tennis spielen.

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