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Teurer Sprit ist der Wirtschaft billig

■ Verkehrsminister Wissmann will's nicht wissen: Nach einer von ihm selbst in Auftrag gegebenen Studie belastet ein Benzinpreis von 4,60 Mark nicht die deutsche Wirtschaft, vermindert aber den Kohlendioxid-Ausstoß um 25 Prozent

Berlin (taz) – Seit Juli 1995 liegt ein Gutachten des Münchner ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung beim Bundesverkehrsministerium. Doch zur Veröffentlichung ist es noch nicht freigegeben – etwa, weil die Ergebnisse nicht ins Konzept von Verkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) passen? Denn die der taz vorliegende Studie kommt zu dem Ergebnis, daß eine Benzinpreiserhöhung zu einer wesentlichen Kohlendioxid-Reduzierung führt, ohne daß dabei die Gesamtwirtschaft geschädigt wird.

Eine Erhöhung der Mineralölsteuer um jährlich 9,7 Prozent bis zum Jahr 2005 – das heißt eine Erhöhung um 300 Prozent gegenüber 1990 – würde den Kohlendioxid- Ausstoß im Verkehrsbereich bis zum Jahr 2010 um 25 Prozent reduzieren. Der Liter Sprit würde dann im Durchschnitt aller Kraftstoffsorten 4,60 Mark kosten. Im Gegensatz dazu hätten die von Minister Wissmann propagierte Erhöhung der KFZ- Steuer oder verbrauchsabhängige Steuern kaum Effekte auf eine Kohlendioxid-Verminderung, so die Studie.

Die bisher von Regierung und Industrieverbänden befürchtete Konjunkturkrise durch eine derart hohe Benzinsteuer konnte das Gutachten nicht bestätigen. In seiner Zusammenfassung schreibt das ifo- Institut: „Weder die Einzelmaßnahmen zur CO2-Reduktion noch deren Bündelung in der hier untersuchten Weise beeinträchtigen das gesamtwirtschaftliche Wachstum nennenswert.“ In der Automobilbranche allerdings würden 2010 fast 12 Prozent weniger Kraftfahrzeuge produziert als bei Beibehaltung der bisherigen Steuerbelastung. Neben der Mineralölsteuer wurde auch eine von den gefahrenen Kilometern abhängige Verkehrsabgabe, eine höhere KFZ-Steuer, emissionsorientierte Abgaben für den Flugverkehr, Parkraumbewirtschaftung und KFZ-Zulassungssteuern untersucht. Würden alle Maßnahmen zusammen und europaweit eingeführt, würde die „Kraftwagenproduktion um rund 20 Prozent gegenüber den ,ungestörten‘ Entwicklungspfaden“ sinken, so das ifo-Institut.

Seit rund einem Jahr wird die Studie im Bonner Verkehrsministerium hin und her geschoben. Eine derart lange Bearbeitungszeit sei jedoch nichts Außergewöhnliches, so gestern eine Ministeriumssprecherin: „Der erste Entwurf ist noch einmal erörtert worden, es gab Gespräche mit dem ifo-Institut. Am Ergebnisbericht wird noch gearbeitet.“

Daß das Gutachten noch nicht veröffentlicht ist, könnte aber auch daran liegen, daß es gefährlich nahe bei den Ökosteuervorschlägen der Bündnisgrünen liegt. Deren Verkehrssprecherin im Bundestag, Gila Altmann: „Millionen von Arbeitsplätzen gehen verloren, so war immer das Horrorszenario. Herr Wissmann weiß es seit 1995 besser und sagt nichts. Das ist eine Verdummung der Bevölkerung.“

Die Gefährdung von Arbeitsplätzen in der Autoindustrie wird in dem Gutachten wesentlich relativiert. Bei einer Steigerung der Mineralölsteuer um jährlich fast zehn Prozent würden 77.000 Arbeitsplätze bis zum Jahre 2010 in Deutschland verlorengehen. Darin eingerechnet ist jedoch nicht eine Verwendung eines Teils der Mittel zur Senkung der Lohnnebenkosten oder zur Förderung alternativer Verkehrskonzepte. „Mit einem Teil der Milliarden aus der höheren Mineralölsteuer sollten die Sozialbeiträge verringert werden“, so Gila Altmann. „Der Rest des Geldes muß in die Verkehrswende gesteckt werden.“ Im Bereich energiesparender Verkehr und Dienstleistungen rund um die Kombination umweltschonenderer Fortbewegungsarten würden dann auch neue Jobs entstehen, sagt sie. Reiner Metzger

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