: Teure Privatisierung
■ Bei SEZ-Privatisierung muß Senat für Entlassungen 6 Millionen zahlen / "Marktgerechter" Pachtzins erst ab 2010
Bündnis 90/Die Grünen verwandelten gestern für wenige Minuten das Abgeordnetenhaus in ein „Sport- und Erholungszentrum“ (SEZ) besonderer Art. Ein Dutzend Fraktionäre plazierten sich in Badeanzug und -hose, ausgerüstet mit Badeinsel und Plastikpalme im ersten Stock des Preußischen Landtags. „Laßt das SEZ nicht baden gehen“, hieß es auf einem Transparent.
Das SEZ in Friedrichshain, so die Forderung der Grünen, sollte entgegen der Absicht von Senat, CDU und SPD nicht privatisiert werden. Die Fraktion schloß sich den Beschlüssen der Bezirksverordnetenversammlungen von Friedrichshain, Hohenschönhausen und Lichtenberg an, das SEZ in eine landeseigene Gesellschaft zu überführen. Nur so sei auf lange Sicht garantiert, daß das Erholungszentrum als soziales Angebot erhalten bleibe.
Der Senat hat sich aber offenbar schon für den Bäder-Unternehmer Harald Frisch entschieden, auch wenn ein konkretes Vertragsangebot nicht vorliegt. Dies geht jedenfalls aus einem entsprechenden Senatsbeschluß hervor, der der taz vorliegt. Nachverhandeln will der Senat allerdings beim Pachtzins. Frisch wollte ab dem Jahre 2009 jährlich nur 800.000 Mark bezahlen. Das sei zu wenig, meint der Senat und verlangt ab 2010 einen „am Markt orientierten Erbbaupachtzins“.
Erhebliche Ausgaben kommen auf das Land Berlin aber bei den Personalkosten zu. Der Bäder-Unternehmer hat angekündigt, bei einer Übernahme auf mindestens einhundert SEZ-Mitarbeiter verzichten zu wollen. „Es ist geplant, (...) eine Abfindungsleistung von bis zu 60.000 DM zu leisten“, heißt es nun in der Beschlußvorlage des Senats. Das sind bei einhundert Beschäftigten dann rund 6 Millionen Mark.
Die Grünen bemängeln, daß der Senat sich längst für eine Übernahme durch Frisch entschieden habe, ohne alle vorliegenden Konzepte geprüft zu haben. Auf Druck der SPD will nun der Hauptausschuß in seiner heutigen Sitzung über alle Konzepte beraten. Eine Überführung in eine Landesgesellschaft wird von SPD-Haushaltsexperten jedoch ausgeschlossen.
Der Geschäftsführer des „blubb“, der das SEZ übernehmen will, hat bei Gesprächen mit Senatoren und Koalitionspolitikern inzwischen angeboten, für sozialbedürftige Gruppen günstigere Eintrittspreise anzubieten. Dieses Einlenken war dringend nötig, denn Frischs Absicht, mit 15 Mark für Erwachsene und 10 Mark für Kinder die Preise mehr als zu verdoppeln, hatte in den vergangenen Wochen zu vielfachem Protest geführt. Mit den 13 Millionen Mark, die das SEZ außerdem im kommenden Jahr an Subventionen erhält, soll eine Erhöhung der geltenden Preise weitgehend ausgeschlossen werden. Frisch will mit der Verlängerung der Aufenthaltsdauer in der Schwimmhalle von derzeit zwei auf vier Stunden allerdings auch das Angebot verbessern.
Das SEZ soll privatisiert werden, weil sich der Senat außerstande sieht, den zweistelligen Millionenbetrag für eine Modernisierung der Anlage zu finanzieren. Dirk Wildt
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