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Teufelskreis der Gewalt in den besetzten Gebieten

■ Israelische Siedler und Palästinenser greifen immer öfter zu den Waffen

Tel Aviv (taz) – Die Verhandlungen zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) über künftige Sicherheitsvorkehrungen im Gazastreifen und Jericho sind gestern in Kairo wiederaufgenommen worden. Die Gespräche hatten vor einem Monat in dem ägyptischen Badeort Taba begonnen. Auf Wunsch der Israelis wurden sie jetzt in ein „medienfreies Gelände“ in der ägyptischen Hauptstadt verlegt und wurde die Anzahl der Teilnehmer auf je fünf Vertreter beschränkt.

Die PLO war mit den Veränderungen einverstanden, weil die Logistik in Kairo bequemer ist und es bei dem engen Rahmen der nun als Geheimverhandlungen geführten Gespräche größere Aussichten auf Kompromisse gibt. Laut den am 13. September in Washington unterzeichneten Vereinbarungen soll Mitte Dezember die Übergabe der Zivilverwaltung an die Palästinenser im Gaza-Streifen und in Jericho beginnen. Die PLO-Führung geht allerdings davon aus, daß zuvor noch ein Treffen zwischen PLO- Chef Jassir Arafat und dem israelischen Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin stattfinden wird, um letzte Differenzen auszuräumen.

Strittig ist vor allem, wo und in welchem Umfang im Gaza-Streifen israelische Soldaten stationiert bleiben sollen. Nach Angaben von Begleitern der israelischen Delegation sollen die israelischen Pläne für Truppenverschiebungen innerhalb des Gaza-Streifens dahin gehend abgeändert werden, daß die routinemäßigen militärischen Aufgaben außerhalb des jüdischen Siedlungsbereichs nicht von Soldaten, sondern von Einheiten des israelischen Grenzschutzes durchgeführt werden. Diese unterstehen nicht dem Militär, sondern einem Polizeikommando.

In den besetzten Gebieten macht sich unterdessen ein gefährliches „Sicherheitsvakuum“ bemerkbar. Besonders in der Westbank herrscht ein Teufelskreis von Gewalttaten. Morde, Körperverletzungen und Beschädigungen von Eigentum, an denen vereinzelte Gruppen bewaffneter Palästinenser und wesentlich zahlreicher Siedlertrupps beteiligt sind, unterminieren den inoffiziellen Waffenstillstand zwischen der israelischen Besatzungsmacht und der PLO.

Nach einer Serie von gegenseitigen Angriffen kam es gestern erneut zu einem palästinensischen Überfall auf Siedler. Dabei wurde ein Palästinenser getötet, und ein Siedler wurde verletzt.

Drei Monate nach dem in Oslo ausgehandelten „Gaza-Jericho- Abkommen“ spüren die Palästinenser in den besetzten Gebieten noch so gut wie keine Änderung ihrer Lage. Im Vergleich zu der Zeit vor dem Abkommen haben die Angriffe militanter Siedler stark zugenommen. Die Palästinenser beschuldigen die Besatzungstruppen, nicht ausreichend einzugreifen, um den Angriffen der Siedler Einhalt zu bieten.

Mit wachsender Empörung weisen Palästinenser darauf hin, daß – entgegen allen Versprechen – die überwiegende Mehrheit der palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen bisher nicht freigelassen wurde. Immer mehr Palästinenser glauben daher, daß die Abkommen an der Realität der Besatzung so gut wie nichts ändern werden. Aus dem Gefühl, betrogen worden zu sein, entsteht zunehmend Verständnis für Angriffe gegen Siedler, unabhängig davon, welcher politischen Gruppe die Attentäter angehören.

Die israelische Regierung verlangt dagegen von den Palästinensern, daß sie ihren Friedenswillen und ihre Absage an jegliche Gewalt unter Beweis stellen. Von der PLO-Führung wird verlangt, daß sie für Ruhe und Ordnung unter den Palästinensern in den besetzten Gebieten sorgt. Der stellvertretende israelische Verteidigungsminister General Motta Gur erklärte am Sonntag bei einem Besuch in einer der israelischen Siedlungen in der Westbank, es sei nun an der Zeit, daß Arafat „sein Herumreisen“ einstelle und unter den Palästinensern Ordnung schaffe. Schließlich habe sich der PLO- Chef in Washington verpflichtet, jedweden palästinensischen Terrorismus auszumerzen.

Bei solchen Forderungen übersehen die Israelis geflissentlich, daß ihre Besatzungstruppen die Westbank und den Gaza-Streifen weitestgehend kontrollieren, während die PLO-Führung in Tunis über kaum Mittel verfügt, ihren Willen über diese Entfernung durchzusetzen. Wenn der Status quo weiterbesteht, kann es sehr leicht zu ernsteren Zusammenstößen kommen, die den gesamten Friedensprozeß gefährden. Amos Wollin

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