: Teufelskreis Drogensucht: Wo ist der Ausgang?
■ Was hilft gegen Heroin: Methadon, Therapie, Strafe oder Legalisierung / Juristen diskutierten mit Bremens neuem Landesdrogenbeauftragten
Drogenabhängig zu sein, heißt, in einem Teufelskreis zu leben und zu sterben. Die immer wiederkehrenden Zwischenstationen lauten: Giftmangel, Geldmangel, Freiheitsmangel. Der Sucht folgt fast zwangsläufig die Kriminalität, der Kriminalität zwangsläufig der Knast. Einzige Konstante in diesem Zirkel: Die Droge selbst. Einzige sichere Unterbrechung dieses Teufelskreises für seine Opfer: Der eigene Tod. 16 Drogentote hat das Stadt-und Polizeiamt in diesem gerade acht Wochen alten Jahr schon gezählt, die letzten beiden erst am vergangenen Donnerstag.
Über die Frage, an welchen Stellen sich dieser Teufelskreis auch vor dem Tod unterbrechen läßt, diskutierten am Donnerstagabend ein Arzt, Juristen, Drogenberater und Kripobeamte mit Bremens neuem Drogenbeauftragten Gys van der Upwich.
Für den gebürtigen Holländer ist das Beispiel seines eigenen Landes dabei nur bedingt empfehlenswert: Haschisch in jedem bessersortierten Kaffeehaus - von einer Liberalisierung, gar Legalisierung des Drogengeschäfts hält Bremens oberster Drogenbekämpfer wenig. Seine Zauberformel: Mehr und differenzierte Therapieangebote, mehr psychologische Betreuung und mehr Sozialarbeit. Auch mit einer Erweiterung von kommunalen Substitu
tions-Programmen, also der kontrollierten Vergabe von Ersatzdrogen an Süchtige, hält van der Upwich wenig: „Ich bin kein großer Befürworter von Methadon. Methadon ersetzt weder fehlende Freunde, noch einen Arbeitsplatz, weder eine Berufsausbildungs noch eine verlorene Kindheit - lauter Ursachen einer späteren Drogenkarriere, die man nicht mit einer neuen Droge bekämpfen kann.“
Stimmt zwar, fand auch Drogenberater Raimund Suchland vom „Arbeitskreis Kommunale Drogenpolitik“. Aber die legale Vergabe von Methadon kann zumindest die illegale Jagd nach Heroin und Kokain stoppen. Wer seine Entzugserscheinungen vom Arzt mit einem Medikament bekämpfen lassen kann, braucht sie nicht mehr selbst mit Spritze, Einbrüchen und Prositution bekämpfen. Suchlands Plädoyer: Ausbau des Bremer Methadon-Programms, Spritzentausch in Apotheken und öffentliche „Druckräume“, in denen sich Junkies - sicher vor polizeilicher Verfolgung und unter hygienischen Bedingungen
-ihren Schuß sezten können. Darüberhinaus forderte Suchland mehr Wohnraum für Drogenabhängige, z.B. durch eine Quotierungsregelung bei allen Wohnungsbaugesellschaften.
In einer Liberalisierung des Strafrechts sahen der Verteidiger
Horst Wesemann und der Bremer Richter Bernd Asbrock eine weitere Chance, den Teufelskreis der Sucht zu unterbrechen. Das Konzept des seit 1982 geltenden Betäubungsmittelgesetzes, seinerzeit vollmundig als „Therapie statt Strafe“ angekündigt, sei gescheitert. Jeder Jurist weiß inzwischen, wofür sich ein Drogenabhängiger vor seinem Richter bei der Alternative „Knast oder The
rapie“ entscheidet. Er weiß aber auch, was die auf diese Weise erzwungene Therapie wert ist: Fast alle werden abgebrochen. Bernd Asbrock: „Nach acht Jahren Erfahrung ist die Blianz des Betäubungsmittelgesetzes deprimierend. Das Strafrecht hat sich als untaugliches Mittel der Drogentherapie erwiesen.“
Für den Leiter des Bremer Drogenkommissariats, Klaus
Behler, kann die Polizei gegen Drogen auch nichts anderes tun als sonst: nämlich ihre Pflicht. D.h. sich an bestehende Gesetze zu halten. „Wir haben nicht zu entscheiden, wen wir anzeigen und wen wir laufen lassen. Wir sind durch den Gesetzgeber verpflichtet, jeden zur Anzeige zu bringen, den wir mit Drogen erwischen. Wer daran etwas ändern will, muß die Gesetze ändern.“
Allerhöchste Zeit dazu ist es für den Hamburger Arzt und Journalisten Hans-Georg Behr. Behrs nüchterne Bilanz von ein paar tausend Jahren Rauschmittel-Gebrauch incl. aller Varianten seiner staatlichen Bekämpfung. Die Drogenabhängigen sind nie weniger geworden. Nur die Polizeibeamten sind mehr geworden. Seine Alternative: Legalize it.
K.S.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen