■ Heute ist Valentinstag: Terrorherrschaft der Floristen
Der Glaube an die magische Kraft des Valentinstages treibt einsame Herzen vielerorts zu ausgefallenen Taten. Ja, man hat sich gegenseitig Fahrradketten um die Ohren gehauen und winkt einander mit alten Zeitungen zu, um die Floristengewalt über den 14. Februar zu brechen. Als klassische Liebesbeweise gelten rote Rosen, als uraltes Signal der Langeweile natürlich ebenso. Rostige Fahrradketten sind originellere Gaben für den Angebeteten, und mit etwas Geschick und viel Liebe kann er sie sogar noch verwenden. Mancher bindet sich Lorbeerblätter an die vier Zipfel seines Kopfkissens und hofft, im Traum das Gesicht des zukünftigen Partners zu sehen. Ein anderer wieder wirft sie in die Suppe und hofft auf einen guten Geschmack.
Der Florist läßt nichts unversucht, um seiner ganzjährigen Terrorherrschaft über Liebende und Krankenbesucher am Tag des Floristen, dem 14. Februar, die Krone aufzusetzen, indem er heute auch noch Verwandte, Nachbarn und andere normalerweise unbewaffnete Zeitgenossen zum Blumenunfug treiben will. Die ganze Welt soll in einen Grünzeuganfall ohne Beispiel gestürzt werden, doch Obacht! Milliarden Orchideen aus Massentierhaltung müssen von unterbezahlten Kleinstkindern und sehr niedlichen Hundewelpen vor Morgengrauen gemordet und danach in dunkle Frachträume pflanzenverachtender Großraumflugzeuge verladen werden, damit der grinsende Florist seinem weltverschlechternden Tun nachgehen kann. Unschuldige Tulpen aus Amsterdam werden in großem Stil gekidnappt und an deutsche und amerikanische Endverbraucher verkauft! Die Pflanzen haben keine Chance, sich aus freien Stücken ein neues Heim zu wählen, zum Beispiel bei Menschen, deren gute braune Augen wohlgefällig auf ihnen ruhen. Nein, sie werden gegen schnöden Mammon eingetauscht, und ihr neuer „Besitzer“ mag sie oft gar nicht sehr, so daß er sie noch unausgepackt schnell weitergibt an eine den Tulpen fremden, vielleicht sogar von Grund auf entfremdete Weibsperson, die nicht einmal ihre Sprache spricht. Rosen können sich wehren, indem sie die Frauen zu Tode langweilen, Tulpen dagegen sterben langsam und qualvoll auf dem Vertiko.
Natürlich schämt sich der gemeine Florist nicht, seinem schändlichen Treiben einen Überbau zu verpassen, der teilweise merkwürdige Blüten treibt. Vom indischen Gott der Ehe ist schnell die Rede, wenn das Blumenopfer gerechtfertigt werden soll. Dabei gibt es Gott in Wirklichkeit nur in Europa, wie wir alle schon in der Gänseblümchenschule gelernt haben. Dieser Herr ist allerdings von alters her eher ein Gott, der Eisen wachsen läßt und rostige Fahrradketten. Ein Mönch namens Valentin trieb jedoch, wir schalten um ins alte Rom, den heidnischen Kaiser Claudius – ins Tulpenbeet? – zur Weißglut. Anstatt die jungen Männer für Ehre und Vaterland zu begeistern, traut Valentin verliebte Paare und pries die Vorzüge des heimischen Herds. Ein schwer subversives Unterfangen, dem kaum 1.700 Jahre später die Parole „Make Love Not War“ der Blumenkinder (!) folgen sollte. Der Florist und potentielle Pflanzenmörder, eben noch Propagandist des abgeschmackten, abgehalfterten und abgewrackten Mittelstands – wenige, geschmackvoll arrangierte Blüten üben Zurückhaltung und zeigen dennoch Wertschätzung – tarnt sich am Valentinstag als fresienschwenkender Hilfspastor, der den Soldaten aller Zeiten auf den Wecker fallen möchte. Sag mir, wo die Blumen blühn.
Am Ende entpuppt sich jedoch auch dieser Quatsch als übliche christliche Frauenfolter. Alles läuft darauf hinaus, daß die Mädels den Postboten oder den Milchmann heiraten müssen, weil am Valentinstag das Liebesorakel die Ehe mit dem Mann, den ein Mädchen am Morgen zuerst erblickt, androht. Und wer in der Liebeslotterie nicht den letzten Heuler gewinnt, kann immer noch, vorgeschriebene Lieder singend, zwölfmal um die Kirche laufen. Heilige Gerbera, bitte für uns! Und für unsere rostigen Fahrradketten. Susanne Fischer
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