piwik no script img

Terror in RusslandAnschlag auf Moskauer Flughafen

Bei einem Anschlag auf einen Moskauer Flughafen sind 35 Menschen getötet worden, mehr als 130 wurden verletzt. Ignorierten die Behörden Warnungen?

Ein Verletzter wird aus der Flughafenhalle von Domodedowo heraustransportiert. Bild: rtr

MOSKAU taz | Bei einem Terroranschlag auf dem Moskauer Flughafen Domodjedowo sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums 35 Menschen getötet und mehr als 130 verletzt worden. Reisende berichteten von Dutzenden Verletzten in der Ankunftshalle des Flughafens. Während die Staatsanwaltschaft zunächst zur Urheberschaft der Explosion keine Aussage machte, gingen die Sicherheitskräfte auf dem Flughafen von einem Selbstmordattentäter aus; es soll sich um einen Kaukasier handeln. Die Polizei soll nach drei weiteren Verdächtigen fahnden.

Präsident Dmitri Medwedjew hat den Anschlag als Werk von Terroristen bezeichnet. "Nach den uns vorliegenden vorläufigen Informationen war es ein Terrorangriff", sagte Medwedjew am Abend in Moskau. Sicherheitskräfte und Polizei wurden in Alarmbereitschaft versetzt. Die Kontrollen in öffentlichen Verkehrsmitteln und auf den Flughäfen wurden verschärft.

Die Ermittler gehen davon aus, dass sich der Attentäter in der Wartehalle in der Nachbarschaft eines Cafés in die Luft sprengte. Der Sicherheitsdienst des Flughafens teilte mit, dass die Bombe in der Gepäckausgabehalle explodiert sei. Der Attentäter soll von außen ungehindert in den Flughafen gelangt sein, nachdem er längere Zeit in einem Pkw auf dem Flughafenparkplatz gewartet hatte.

Am Flughafen Domodjedowo werden Besucher und Gepäck nur selten und auch nur oberflächlich kontrolliert. In der Ankunftshalle werden die Besucher nicht auf Waffen und Sprengstoff untersucht. Unabhängige Experten vermuteten unterdessen, dass der Selbstmordattentäter geplant hatte, den Sprengsatz erst an Bord eines Flugzeugs zu zünden, die Bombe aber vorzeitig in die Luft gegangen sei. Es wurden auch Vermutungen laut, dass es sich um zwei Explosionen gehandelt haben könnte.

Für Irritationen sorgte, dass der Flughafen nach dem Anschlag die Reisenden nicht über das Geschehen informierte. Es wurden keine Ansagen über die Lautsprecheranlage gemacht, auch das Personal gab auf Nachfrage keine Auskunft. Reisende berichteten, dass sie wegen der Rauchentwicklung und der Wucht der Explosion ahnten, dass ein Terroranschlag stattgefunden haben müsse. Viele erfuhren erst von Anrufen beunruhigter Verwandter von dem Attentat, die dies wiederum aus den Medien erfahren hatten.

Während die Betroffenen im Ungewissen gelassen wurden, waren Premierminister Wladimir Putin und Kremlchef Dmitri Medwedjew kurz nach dem Anschlag, der gegen 16.30 Uhr Moskauer Zeit verübt wurde, in Kenntnis gesetzt worden. Das lässt darauf schließen, dass terroristische Anschläge erst dann der Öffentlichkeit mitgeteilt werden dürfen, wenn die Staatsführung die Genehmigung erteilt. Der Flugverkehr lief während und nach dem Attentat fahrplanmäßig weiter.

Nach Berichten der halbstaatlichen Nachrichtenagentur RIA Nowosti sollen die Moskauer Sicherheitsbehörden vor einer Woche einen Hinweis erhalten haben, dass auf einen der Moskauer Flughäfen ein Anschlag geplant sei. Mitarbeiter der Flughafensicherung berichten, dass in den letzten Wochen keine Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen angeordnet worden seien. Vielmehr habe der Flughafen fast die Hälfte der Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes entlassen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • P
    Piet

    Friedlicher Islam...

  • M
    Michael

    Leider wurden die Warnungen ignoriert. Man versucht halt keine Panik zu machen wie es ja auch die taz immer fordert...

  • D
    Deka

    Diese Zeitung wird für das schlechte Image Russlands sich tot interpritieren.

    Leute !Analysiert mehrere Informationquellen.

  • B
    Bombenstimmung

    Es ist schon eine perfide Form des Rassismus hier von "Terror" zu sprechen, da der gute Moslem der die Bombe zündete schließlich nur in bester Absicht die Vorgaben seines Propheten Mohammed erfüllte - "praktizierter Islam" wäre da eine weitaus passendere Bezeichnung.

     

    Wie sagte es unser Bundesgrüßaugust so treffend: "der Islam ist angekommen". Er grenzte seine Prophezeiung zwar auf Deutschland ein, aber ich bin mir sicher, wir dürfen uns auch bald über diese besondere Form der kulturellen Bereicherung freuen.

     

    Wer sich Gedanken um die verstorbenen Menschen macht sei beruhigt - gemäß dem Quran befinden sich diese im Paradies. Islam heißt ja bekanntlich Frieden - und wer dem widerspricht kann nur ein pöhser rechter sein.

  • K
    Kultursensibel

    "Ermittler sprechen von einem Terrorakt..."

    Also man kann ja wohl ohne Übertreibung sagen, daß da keine Thermoskanne explodiert ist. Ansonsten lese ich in allen deutschen Zeitungen und bei der ARD die übliche kultursensible Berichterstattung. Die Taz erwähnt wenigstens die "Ismalisten" die es eventuell gewesen sein könnten. Anderswo scheut man das Wort mit I ganz gewaltig. Das Ergebnis ist wie früher in der DDR. Man liest zwischen den Zeilen. Wenn es hieß "die Produktion von Toilettenpapier wird massiv gesteigert" dann rannte die los einen Vorrat anzulegen. Heute weiß jeder, ob zurecht oder zuunrecht, daß es bestimmt die ihr wisst schon wer waren wenn diese nicht genannt werden. Das ist so wenn ich lese "Jugendliche" hätten wieder jemanden in Neukölln abgestochen oder wenn die Polizei nach einem "Anzugsträger"(das war bisher der Abschuß an politischer Korrektheit) sucht der in der U-bahn einen deutschen Rentner von 78Jahren zusammentrat. Solche Berichterstattung bewirkt das Gegenteil vom Gewünschten. Mit Ehrlichkeit kommt man weiter. Schade, daß man in Deutschland nicht auf alles wetten kann wie in England. Wenn die Wettbüros politisch korrekte Quoten hätten wäre ich bald reich.