Termin für Volksentscheid: In Hamburg hat die SPD Mut
Selbst für den Senat wäre es taktisch unklug, Energie-Entscheid und Bundestagswahl terminlich zu trennen.
CDU-Oppositionschef Frank Henkel war am 29. Januar 2009 richtig sauer auf Rot-Rot. Denn der Senat legte den Pro-Reli-Volksentscheid damals nicht, wie möglich, auf den Tag der Europawahl. 8080/starweb/adis/citat/VT/16/PlenarPr/p16-041-wp.pdf:Henkel damals vor dem Abgeordnetenhaus: "Das politische Kalkül dabei ist doch klar: Sie wollen eine möglichst niedrige Wahlbeteiligung, weil Sie die Meinung des Volkes fürchten und eine Heidenangst davor haben, eine Niederlage einzufahren. Da ist es Ihnen völlig egal, dass Sie den Steuerzahlern 1,4 Millionen Euro völlig unnötiger Kosten aufbürden. Sie mögen ja vielleicht der Meinung sein, dass es bei knapp einer Milliarde Euro neuer Schulden auf diese Summe nicht mehr ankommt, aber die Bürger haben auch einen Anspruch darauf, dass Sie verantwortlich mit ihren Steuergeldern umgehen." Einig mit Henkel übte die taz damals scharfe Kritik an Rot-Rot.
Nun macht es Henkel als Innensenator mit dem Energie-Entscheid genau wie Rot-Rot: 3. November statt der Bundestagswahl am 22. September. Das überrascht nicht. Erstaunlich ist hingegen, dass die CDU dem Vernehmen nach auf Rückendeckung des SPD-Regierenden Klaus Wowereit zählen kann. Obwohl fast alle Granden der Berliner SPD klar für den 22. September plädieren.
All das ist nicht nur ein teures Demokratie-Trauerspiel. Es wäre für sogar für Wowereit strategisch unklug, Energieentscheid und Bundestagswahl zu trennen. Denn nicht nur der Energietisch, sondern auch die Koalition des Regierenden will zum Beispiel ein Stadtwerk gründen. Dieses muss dann schnell so viele Haushalte wie möglich als Stromkunden gewinnen. Nur so würde aus ihm ein erfolgreiches Landesunternehmen. Doch warum soll ein Bürger dieser Stadt einem Landesunternehmen trauen, dessen designierte Verantwortliche schon jetzt kein Interesse an einer großen Debatte über die Ausgestaltung dieses Unternehmens haben? Größtmögliche Aufmerksamkeit und Aufbruchstimmung für Stadtwerk und Energiewende garantiert nur der 22. September.
Noch ist nichts entschieden, bis zur Senatssitzung am kommenden Dienstag haben alle Bedenkzeit. Die Genossen sollten nach Hamburg blicken: Dort ist SPD-Bürgermeister Olaf Scholz sogar gegen die Forderungen eines ähnlichen, erfolgreichen Energie-Volksbegehrens. Doch Scholz und seine Partei sind mutig: In Hamburg findet der Entscheid am 22. September statt, wie der Senat am 18. Juni entschieden hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!