■ Eine Werbekampagne sorgt für Ärger
: Teppiche gegen Kacheln

Wuppertal (taz) – Jahrelang schlummerte sie still vor sich hin, die deutsche Teppichindustrie. Nur vereinzelt wurden Kampagnen gefahren, in denen bestimmte Firmen die Vorteile gerade ihres flauschigen Produktes herausstellten. Plötzlich jedoch ist alles anders. 82 Hersteller und Händler, die in der „Arbeitsgemeinschaft Textile Bodenbeläge“ mit Sitz in Wuppertal zusammengeschlossen sind, beauftragten die Hamburger Kreativen von „Springer & Jacoby“ mit der Erstellung einer Reklamekampagne, die „das Selbstbewußtsein der Teppichbranche“ stärken sollte.

Der sodann an der Alster geborene Slogan „Teppich. Alles andere ist die Härte“ löste an der Wupper Begeisterung aus. Endlich wurde einmal das gezeigt, was das „richtig Schöne“ (so Springer & Jacoby) am Teppichboden ausmacht, nämlich „Behaglichkeit, Wärme und Schalldämmung“. Die Agentur bebilderte das Ganze sehr emotional, wobei der Seitenhieb auf die Konkurrenz äußerst ironisch und überaus deutlich geriet. Zweiseitige Anzeigen wurden im Stern geschaltet: „Herrlich. Nach Hause kommen und sich nackt auf die Fliesen werfen!“ lautet die sarkastische Aufforderung des linken Motivs, wo in der Tat auch der nackte, harte Bodenbelag zu sehen ist. Die Auflösung des ironischen Seitenhiebs erfolgt im rechten Motiv. Hier erkennt man Slip und Negligé auf einem Teppichboden. Dazu ergeht die eindeutig zweideutige Aufforderung: „Probier's doch mal mit Teppich!“

Friede, Freude, Teppichboden. An Alster und Wupper mischte sich die Freude über die frische, junge Kampagne mit dem Klirren von Sektgläsern. Am Main jedoch klirrte es aus ganz anderen Gründen. Offensichtlich hatte die Teppich-Kampagne in Frankfurt, wo der „Industrieverband Keramische Fliesen und Platten“ zu Hause ist, so manche Kachel zerschlagen. Wutschnaubend blaffte deren Geschäftsführer Martin Dossmann jedenfalls gen Norden: „Es wäre interessant zu wissen, ob der Teppichverband die Schadenersatzforderungen von Allergikern übernimmt, die sich nackt auf den Teppich legen und sich möglicherweise Milben holen.“ Gleichzeitig erwirkte er eine einstweilige Verfügung, die den Konkurrenzverband zunächst auf den Teppichboden der Tatsachen zurückholte.

Bei Springer & Jacoby beißt man vorläufig auf Teppich: kein Kommentar zunächst aus Hamburg. Weitaus redseliger ist da der Geschäftsführer des Wuppertaler Teppichverbandes. Werner Wieners kann die ganze Aufregung nicht verstehen. Man habe doch nur die Vorzüge des eigenen Produkts darstellen wollen, und es sei nie die Absicht gewesen, die Konkurrenz herunterzumachen. „Wir sind doch alle mit Teppich groß geworden“, wird Wieners sentimental und schwärmt vom „Liegen und Träumen, kurz von all den Dingen, die man mit Teppich machen kann“.

Dem Prozeß, der ihm demnächst ins Haus steht, sieht Wieners durchaus gelassen entgegen und erweitert die Sichtweise über die Vor- und Nachteile einzelner Bodenbeläge um eine europäische Perspektive: „Europaweit ist vergleichende Werbung in dieser Form durchaus möglich.“ Die Anwälte seines Verbandes würden ihre Argumentation schon genau auf diesen Punkt aufbauen.

Zum Thema Milben weiß der Teppichfunktionär zu bemerken, daß Analysen eines „unabhängigen Instituts für umweltfreundliche Teppichböden“ ergeben hätten, daß sich Bakterien im Teppichboden gut festsetzen würden und sich einfach absaugen ließen. Also: Nach Hause kommen, den Sauger anwerfen und sich dann nackt auf den Teppichboden legen! Rainer Kiebat