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Tennis ist kein BreitensportÜber den Neid auf die Reichen

Vom Flohmarkt zum Tennisplatz zum Ethikrat: Manche spielen selbstverständlich Tennis, während es andere selbstverständlich nicht tun.

Ganz in Weiß: Tennis Foto: dpa/Wolfgang Kumm

K ürzlich radelte ich sehr eilig zu einem Laden, um mich rechtzeitig in die Standliste für einen Flohmarkt einzutragen. Es war allerdings eine eher sinnlose Eile, denn auf dem letzten Flohmarkt, auf dem ich meinen Stand aufgebaut hatte, hatte ich nicht einmal die Standmiete eingenommen. Zwei Bekannte, in deren Augen ich Mitleid vermutete, hatten ein Bilderbuch und eine Kinderjacke gekauft, das war alles gewesen.

Ich radelte schnell, vielleicht weil wenigstens die Anmeldung gelingen sollte, wenn schon sonst nichts gelang, als mich ein Tennisball am Kopf traf. „Das tut mir außerordentlich leid“, sagte eine Stimme und als ich mich umdrehte, sah ich den Vorsitzenden des Ethikrats. Der Ethikrat, das sind drei ältere Herren von geringer Größe, die mir gelegentlich Hinweise in Fragen praktischer Ethik geben. Der Vorsitzende trug eine lange weiße Leinenhose und einen Strohhut, in der Hand hielt er einen hölzernen Tennisschläger. „Spielen Sie jetzt auch noch Tennis?“, fragte ich und rieb meinen Kopf. „Ist das nicht ein Sport für Snobs?“.

„Für uns“, sagte der Vorsitzende und wies mit einer einladenden Geste auf Tennisplatz und Klubhaus, „ist es der Ort für unser Forschungsvorhaben Statusgefälle und paradoxe Intervention“. „Und wie genau forschen Sie?“, fragte ich. „Wir stellen uns selbst in den Dienst der Forschung“, sagte der Vorsitzende. Neben ihm erschienen die beiden anderen Mitglieder des Ethikrats, die in der Regel schwiegen. Sie trugen ausgebeulte Jogginghosen und fleckige T-Shirts und wirkten unfroh.

Ich betrachtete sie und dachte an meine erweiterte Verwandtschaft und deren Kinder, von denen manche selbstverständlich für ein Schuljahr ins Ausland gehen und andere, die es selbstverständlich nicht tun. Das Bemerkenswerte an den Auslandskindern ist weniger ihr gutes Englisch hinterher, sondern ihre Gewissheit, dass es kein Parkett geben wird, auf dem sie ausgleiten könnten, während die anderen die „Geschlossene Gesellschaft“-Schranke schon mit 13 verinnerlicht haben.

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„Zunehmend Druck auf die Reichen“

Der Ethikrat war bereits auf dem Weg zum Tennisplatz und ich rannte hinterher. „Es gibt ja zunehmend Druck auf die Reichen“, sagte ich, „wie bei den Klimaklebern auf dem Sylter Flugplatz. Oder bei Demos, die „Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten“ heißen. Ich sehe das mit Sympathie, aber ich frage mich, ob diese Sympathie nicht durch meine eigene wirtschaftliche Misere befeuert wird.“

Der Ratsvorsitzende achtete nicht auf mich, weil er versuchte, eine Ballmaschine in Gang zu bringen, während sich die beiden anderen Ratsmitglieder einer Gruppe Jugendlicher in Shorts von erschütternder Weißheit näherten. „Natürlich ist das Neidargument ein Totschlagargument gegen alles, was ökonomische Ungerechtigkeit anbelangt“, sagte ich in Richtung Ballmaschine, die lustlos ein paar Bälle ausspuckte.

Die prekären Ethikratmitglieder sprachen die Shorts an, aber die taten so, als hätten sie nichts gehört und begannen ein Spiel auf dem Nachbarplatz. „Wenn ich einen Porsche sehe, bin ich enttäuscht, wenn es ein E-Auto ist, das ist doch absurd“, sagte ich zum Ratsvorsitzenden, der gedankenverloren den Shorts hinterher schaute. Die Ratsmitglieder sprachen sie erneut an, aber niemand reagierte. Da holten die Mitglieder aus ihren ausgebeulten Taschen Klebstofftuben hervor, huschten zum Netz und klebten sich daran fest.

Die Shorts hielten kurz inne, aber nur kurz, denn es erschienen zwei Hausmeister, die das Netz mit den Ratsmitgliedern abnahmen und sie auf eine Schubkarre hievten. Doch da nahm die Ballmaschine plötzlich und unwissenschaftlich Fahrt auf und im Bällehagel verschwanden Hausmeister und Shorts. Als er abebbte, rollten sich die Ratsmitglieder robbenartig aus dem Netz. Sie lächelten.

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Friederike Gräff
Redakteurin taz nord
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