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Tennis Grand Slam in MelbourneWenn die Nacht zum Tag wird

Melbourne erlebt eine Nacht der Rekorde. Beteiligt war auch Roger Federer. Die Nummer eins im Welttennis musste gegen einen groß aufspielenden Serben an die Grenzen gehen.

Sah der Niederlage ins Auge: Roger Federer. Bild: reuters

Wenn die Nacht zum Tag wird

Tennis ohne Ende: Melbourne erlebt eine Nacht der Rekorde. Beteiligt war auch Roger Federer. Die Nummer eins im Welttennis musste gegen einen groß aufspielenden Serben in einem Fünfsatz-Match an die Grenzen gehen

MELBOURNE taz Am Wochenende ist in einer Sommernacht in Melbourne fast immer der Teufel los. Wenn der Morgen graut, dann sind längst nicht alle Vergnügungssüchtigen daheim. So gesehen benahm sich Lleyton Hewitt wie ein ganz normaler Bürger, als er am Sonntag gegen sechs auf dem Weg nach Hause war. Er hatte schwere Beine und eine genaue Vorstellung, was ihn erwarten würde: das wache Leben in Gestalt seiner zwei Jahre alten Tochter.

Die Nachtschicht stand am Ende eines ungewöhnlichen Tennistages, des längsten in der Geschichte der Grand-Slam-Turniere. Es war vier nach halb fünf in der Früh, als sich Lleyton Hewitt und Marcos Baghdatis nach einem Spiel von vier Stunden und 45 Minuten erschöpft am Netz in die Arme sanken. Erstaunlicherweise waren sie dabei nicht allein; rund 6.000 Zuschauer hatten in der Rod Laver Arena ausgeharrt, wachgehalten und bestens unterhalten von einem Spiel voller Wendungen und Wirrungen. Hätte Hewitt seinen ersten Matchball genutzt, wäre Viertel nach drei Schluss mit dem Spaß gewesen, aber er tat es nicht, und der Rest ist ein Fall für die Geschichtsbücher des Tennis.

In diesen Büchern hat Roger Federer seinen Namen bereits diverse Male hinterlassen, und auch an diesem Eintrag ist er indirekt beteiligt. Weil er zum Sieg gegen den fantastisch spielenden Serben Janko Tipsarevic (6:7, 7:6, 5:7, 6:1, 10:8) fast viereinhalb Stunden brauchte, so lange wie noch nie in diesem Stadium eines großen Turniers, seit er die Nummer eins des Tennis ist, wurde der Rest zum Nachtprogramm. Die für 19.30 Uhr geplante Partie zwischen Venus Williams und der Inderin Sania Mirza begann erst um 22 Uhr; um diese Zeit gönnten sich Hewitt und Baghdatis den Scherz, sie säßen womöglich um vier oder fünf noch im Stadion.

Zunächst hatte man ihnen gesagt, das Spiel der Frauen werde angesichts des Marathons von Federer verlegt - fehlerhafte Kommunikation, wie Turnierdirektor Craig Tiley am nächsten Tag zugab. Denn mit Williams und Mirza hatte zu diesem Zeitpunkt noch keiner gesprochen. Als das Gespräch dann stattfand, machten die Damen unmissverständlich klar, dass sie nicht daran dächten, das Feld zu räumen oder erst am nächsten Tag zu spielen. Hätten sie sich drei Sätze gegönnt, dann wäre Hewitt und Baghdatis die Nachtschicht erspart geblieben. Aber Williams gewann in zwei Durchgängen, und so kam es, dass das letzte Spiel des Tages um 13 Minuten vor Mitternacht begann und rund viereinhalb Stunden später endete. "Das war eine verrückte Nacht", meinte Hewitt, als er um halb sechs vor 15 Korrespondenten mit kleinen Augen saß.

Natürlich stellt sich die Frage, ob man den Spielern, den Zuschauern im Stadion und auch vor den Fernsehschirmen ein solches Nachtprogramm zumuten sollte. Oberschiedsrichter Wayne McKewen, der für die Spielpläne verantwortlich ist, sagt, so etwas lasse sich nicht vermeiden. Ob es nicht sinnvoller sei, die sogenannte Night Session generell früher beginnen zu lassen, mochte der Turnierdirektor nicht mit Ja beantworten. Auch mit nur einem Match sei ein so spätes Ende nicht auszuschließen. Was Unfug ist: Die Rekordhalter John McEnroe und Mats Wilander brauchten im Davis Cup 1982 nur sechs Stunden und 22 Minuten.

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