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■ Tempolimit: Schröder distanziert sich harsch von den GrünenSchlechter Stil

Der Bonner Politikbetrieb bietet wieder einmal ein erbärmliches Bild. Die überhitzte Diskussion um das Tempolimit zeigt, daß es hauptsächlich darum geht, den politischen Gegner, selbst den möglichen Koalitionspartner, abzumeiern, um daraus Kapital am Wahltag zu schlagen. Statt ernsthaft und sachlich über den Sinn von Tempolimits zu diskutieren, weiden sich auch die Sozialdemokraten daran, wie blöd sich Bündnis 90/Die Grünen wieder einmal angestellt haben sollen.

Mag sein, daß sich die Grünen mit ihrer Forderung nach einem Tempolimit wahltaktisch ungeschickt angestellt haben. Na und? Soll es etwa Usus sein, daß Parteien Forderungen aus ihrem Wahlprogramm nicht mehr öffentlich verkünden, wenn sie der Mehrheit vermutlich nicht gefallen? Soll das Verhalten der Sozialdemokraten zum Maßstab werden, die sich, wie jetzt auch beim Tempolimit, seit Monaten vor klaren Aussagen drücken, um nur ja keine Wählergruppe zu irritieren?

Der Lapsus der Grünen, wenn davon nach vernünftigen Kriterien überhaupt die Rede sein kann, ist – verglichen mit dem Verhalten der SPD – allemal das kleinere Übel. Obwohl selbst in der sozialdemokratischen Partei die Stimmung eher einem Tempolimit zuneigt, obwohl Kanzlerkandidat Gerhard Schröder 1991 sogar eine Bundesratsinitiative für ein Tempolimit 120 auf Autobahnen initiiert hat, ziehen die Sozialdemokraten nun in unakzeptabler Form über die Grünen her. Schröder gab den Ton vor, indem er den Grünen eine „große Lust am Untergang“ bescheinigte. Andere in der SPD sprachen von einem „Horrorszenario“. Ob das die Bürger in den anderen europäischen Ländern auch so empfinden, bei denen überall Tempolimits gelten?

Aber in Wirklichkeit geht es den Sozialdemokraten ja auch nicht um die Frage, wie sinnvoll ein Tempolimit ist. Seitdem sie Schröder zum Kanzlerkandidaten gekürt hat, versucht sich die SPD vielmehr bei jeder Gelegenheit von den Bündnisgrünen abzusetzen. Schröder ist überzeugt, daß seine Wahl als Bundeskanzler nur durch eines verhindert werden kann: die Angst der Bürger vor Rot-Grün. Deshalb haut er kräftig auf die Grünen ein – und tut so, als ob eine Koalition zwischen SPD und Grünen gar nicht zur Debatte stünde.

Fragt sich nur, ob sich die Wähler derart für dumm verkaufen lassen. Denn natürlich strebt Schröder Rot-Grün an. Schon allein, um eindeutig der Koch in der Regierungskoalition zu sein. Markus Franz

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