Temperaturen schädigen Gewässer: Hitze lässt Lachse streiken
Umweltschützer warnen vor einer Überhitzung der Flüsse. An der seien nicht nur die Sommerhitze sondern auch die Atom- und Kohlekraftwerke schuld.
STUTTGART taz | Der Lachs streikt in diesen Tagen. Normalerweise wandert der Fisch um diese Zeit den Rhein flussaufwärts. Doch ab 25 Grad Wassertemperatur wird es auch ihm zu heiß. Er "parkt" dann lieber erst mal auf dem Flussgrund und spart Energie - wodurch er aber auch seine Laichplätze nicht mehr rechtzeitig erreicht.
Schuld an dem Stopp der Fischwanderung hat nicht nur die Sommerhitze. Auch die Kohle- und Atomkraftwerke tragen ihren Teil dazu bei. In den Kraftwerken wird über die Verfeuerung der Kohle beziehungsweise durch die Kernspaltung Dampf erzeugt, der eine Turbine antreibt. Anschließend wird der Dampf über einen Wasserkreislauf abgekühlt. Für diese Kühlung brauchen die Kraftwerke Wasser aus den Flüssen, das sie anschließend erwärmt in die Gewässer zurückleiten.
Das Land Baden-Württemberg war deshalb in den vergangenen Tagen bereits kurz davor, einen entsprechenden Krisenplan aus der Schublade zu holen. Ab einer Wassertemperatur von 28 Grad Celsius müssten die Energieversorger ihre Kohle- und Atomkraftwerke vom Netz nehmen. Um das Stromnetz zu stabilisieren, könnten die Behörden aber Ausnahmen zulassen. Dafür haben das Umwelt- und das Wirtschaftsministerium gemeinsam mit den Energieversorgern ein Mindestkraftwerkskonzept entwickelt. Was genau dahintersteckt, verriet das Umweltministerium nicht.
Dass das Krisenmanagement bislang nicht erforderlich war, beruhigt die Mitarbeiter im baden-württembergischen Umweltministerium keineswegs. "Der kalendarische Sommer hat erst begonnen", sagte ein Sprecher der taz. Man beobachte deshalb die Daten weiter sehr genau.
Die Umweltschutzorganisation BUND hatte bereits im vergangenen Jahr vor einer Überhitzung der Flüsse gewarnt. Eine Studie zeige, dass die Rheintemperatur an der deutsch-niederländischen Grenze inzwischen im Schnitt 3 Grad über dem natürlichen Niveau seit 1900 liegt. 2 Grad resultierten aus den Abwärmeeinleitungen, 1 Grad sei bereits auf den Klimawandel zurückzuführen.
"Die Flüsse stehen kurz vor einem Kollaps", sagt die BUND-Landesvorsitzende in Baden-Württemberg, Brigitte Dahlbender und fordert eine schnellstmögliche Energiewende. "Schlimm genug, dass die in die Flüsse geleitete Wärme der Kraftwerke nutzlos verpufft. Nun schädigt sie auch massiv das Leben im Wasser."
Für den Rhein fordert der BUND einen Wärmelastplan. Derzeit wird bei einem Kraftwerksneubau jeder Standort separat betrachtet. Nicht berücksichtigt wird, was "oben" im Fluss an Wärme eingeleitet wird und was "unten" noch hinzukommt. Ein Wärmelastplan soll hingegen vorschreiben, wie viel Wärmelast ein Fluss insgesamt aufnehmen kann und darf.
Ein Sprecher des Energieunternehmens EnBW wies darauf hin, dass viele Kraftwerke mittels Kühltürmen auch auf einen Kreislaufbetrieb umstellen könnten. Dadurch arbeiten die Kraftwerke allerdings ineffizienter, weil mehr Energie für die Kühlung im Turm aufgebracht werden muss. Der Wirkungsgrad gehe dabei, so schätzt der BUND, etwa um 10 Prozent zurück.
Nicht mehr weiter gedrosselt werden könnte das AKW Neckarwestheim 1. Wegen der Diskussionen um Laufzeitverlängerungen hatte EnBW den Reaktor bereits auf das Mindestlastniveau von 250 Megawatt heruntergefahren. Nur so kann EnBW mit seinen erlaubten Reststrommengen über die Runden kommen, bis die schwarz-gelbe Bundesregierung ihr Energiekonzept auf den Tisch legt. Andernfalls wäre der Altreaktor schon längst stillgelegt worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner