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Tellerrand

■ Zur Situation in Polen

Die Polen mögen es nicht, wenn man die Zustände in ihrem Land mit denen in anderen Ländern im sozialistischen Lager vergleicht. Denn in den letzten Jahrzehnten hat sich ein politisches Gefüge entwickelt, das im Vergleich zu den anderen Ländern relativ liberal erscheint. Inzwischen besteht das „polnische Modell“ aus einer labilen Übereinkunft zwischen kommunistischem Regime, der Kirche und der Opposition. Doch das Modell hat auch einen Nachteil. Denn weder der Regierung noch der Kirche oder der Opposition gelingt es, in diesem Schwebezustand Initiativen und Zukunftsvisionen zu entwickeln, die dem Land eine Perspektive angesichts der katastrophalen Entwicklung der Wirtschaft geben könnten. Daß das Regime die Ruhe braucht, ist selbstverständlich. Daß die Kirche keine gesellschaftliche Unruhe will, liegt in ihrer 2000jährigen Geschichte. Daß aber die Opposition seit Jahren nichts mehr bewegen kann, liegt zum Teil auch an ihr selbst. Trotz drückender Umweltprobleme sind die Proteste zahm, trotz einer europaweiten Friedensbewegung rührt man kaum an den Mythos der Armee, trotz den Fortschritten der Frauen in anderen Ländern, ihre Rechte zu erweitern, klammert sich auch Solidarnosc an das ganz katholische Familienbild. Trendsetzendes Kulturleben und die Jugend sind weit davon entfernt, sich in die Opposition einzufügen. Wer aber die neuen sozialen Bewegungen und neue gesellschaftliche Probleme nicht in seine Theorie und Praxis miteinbezieht, braucht sich nicht zu wundern, wenn es politisch nicht mehr vorwärts geht. Erich Rathfelder

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