Teilprivatisierung beschlossen: Bahn bald ein Viertel privat
Der Bundestag beschließt die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn. Weitere Stilllegungen, vor allem im ländlichen Raum, sind geplant.
Die Geschicke der Bahn AG sollen in Zukunft von privaten Investoren mitbestimmt werden. Der Bundestag hat am Freitag mit 355 zu 158 Stimmen beschlossen, die Abteilungen für Regional-, Fern- und Güterverkehr sowie die Logistik des Staatskonzerns zu 24,9 Prozent zu privatisieren. Die Erlöse des Verkaufs sollen zu jeweils etwa einem Drittel in den Schienenverkehr investiert werden sowie ins Eigenkapital der Bahn AG und in den Bundeshaushalt fließen.
Umwelt- und Verbraucherverbände kritisierten, dass bei der Entscheidung "Verbraucherbelange und Verkehrspolitik" nicht berücksichtigt worden seien, sondern ausschließlich finanzpolitische Interessen.
Als "Einstieg in den GAU - den größten anzunehmenden Ausverkauf" - kritisierte Politikwissenschaftler Tim Engartner den Beschluss. In seiner Doktorarbeit für die Kölner Universität zeigt Engartner, dass frühere öffentliche Unternehmen wie Telekom, Preussag oder Lufthansa jeweils Stück für Stück verkauft worden seien. Außerdem werde die Bahn AG jetzt unter dem regulären Marktpreis veräußert. Insgesamt habe sich die Politik im Vorfeld zu wenig mit den negativen Auswirkungen beschäftigt.
So müssten die Kunden der Bahn drastische Einschränkungen im Angebot befürchten, argumentiert der Wissenschaftler. "Die Bahn konzentriert sich schon jetzt auf das lukrative Hochgeschwindigkeitsnetz und lässt den ländlichen Raum brach liegen." Geld verdiene der Konzern ohnehin vor allem auf "bahnfremden Geschäftsfeldern" wie dem Transport per Straße, Schiff und Flugzeug: "Die Politiker setzten leichtfertig auf kurzfristige Einnahmen und vernachlässigen die Grundversorgung mit Bahn-Dienstleistungen." Das zeigten auch die Beispiele aus Großbritannien und Neuseeland: "Es gibt fehlende Abstimmungen bei der Erstellung der Fahrpläne und einen Tarif-Wirrwarr. Deshalb ist die Mehrheit der Briten dafür, die Bahn wieder zu verstaatlichen." Ähnliches hatte die Premierministerin von Neuseeland, Helen Clark, jüngst angekündigt.
Unterdessen berichtet Spiegel Online, dass die Bahn rund 1.700 Kilometer Schienenstrecke aufgeben wolle. Trotz dieser Leistungseinschränkung solle das Unternehmen nach der Teilprivatisierung künftig 2,5 Milliarden Euro im Jahr vom Bund bekommen.
Der gestrige Bundestagsbeschluss führte auch zu ersten personellen Spekulationen. Nach Berichten der Rheinischen Post plant Bahn-Aufsichtsratschef Werner Müller die Berufung des ehemaligen Energiemanagers Utz Claassen an die Spitze der Tochterfirma für Logistik. Müller wies die Darstellung zurück. Erst einmal werde Konzernchef Hartmut Mehdorn die Aufgabe übernehmen.
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