: Teil des Problems
■ betr.: „Kein Mut zur Zumutung“, taz vom 22. 5. 96
Monath beklagt zwar zu Recht die Sprachlosigkeit der Grünen, aber seine eigenen Ausführungen wecken den Verdacht, daß er auch ein Teil des Problems ist. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Ahnungslosigkeit der Bonner Korrespondent der taz den gegenwärtigen Hauptkonfliktpunkt zwischen Regierung und Gewerkschaften aus dem Blick verliert.
Die Gewerkschaften haben sowohl durch Tarifabschlüse als auch durch ihre Zustimmung zur Abschaffung der für sie bequemen, aber für die Sozialversicherung teuren Vorruhestandsregelung gezeigt, daß sie zu Kompromissen bereit sind. Vereinbart wurde auch die Senkung der Lohnnebenkosten. Nun haben sich aber Arbeitgeber und Regierung jeden Weg hier zu wirklichen Änderungen zu kommen, dadurch versperrt, daß sie seit Jahr und Tag die unterschiedlichen Konzepte zur ökologischen Steuerreform verteufeln.
Also blieb, wie so oft, wenn der Wille zu wirklichen Veränderungen fehlt, nur der Schritt zur symbolischen Politik. Die Lohnfortzahlung soll um 20 Prozent gekürzt werden. Diese Politik ist aber, abgesehen davon, daß sie in der Sache wenig bis nichts bringt, für die Gewerkschaften unzumutbar.
Wer trotzdem, wie die Regierung und die Arbeitgeber, solche Forderungen stellt, will nicht sparen, sondern die Gewerkschaften demütigen. [...] Wenn in solchem Zusammenhang Hans Monath und Oswald Metzger nichts anderes einfällt als allgemein über die Notwendigkeit des Sparens zu salbadern, haben sie ihren Job nicht verstanden. Es nützt wenig, sich das Etikett „Realist“ anzukleben, wenn man gleichzeitig die Realitäten nicht zur Kenntnis nimmt.
Und zu den Realitäten gehören eben nicht nur die Haushaltsdefizite, sondern auch der wachsende Zorn der Bevölkerung über eine Politikerkaste und sogenannte Wirtschaftsführer die, frei nach Heine, Wasser predigen, um weiterhin heimlich den Wein zu trinken. Walter Altvater, Mutterstadt
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