Taylor Swift in Argentinien: Swifties sind Aktivisties
Von wegen Pop ist tot: Die Fans von Taylor Swift nutzen ihr Konzert in Argentinien, um gegen den rechten Präsidentschaftskandidaten zu mobilisieren.
D ie Sängerin (und Mutter von ein paar von Elon Musks Kindern) Grimes hat kürzlich gesagt, Taylor Swift sollte US-Präsidentin werden, denn sie sei die einzige, die das Land einigen könnte.
Tatsächlich wirkt es so, als könne derzeit kaum jemand die Massen so bewegen wie Swift, in diesem Jahr prasselten unzählige Videos ihrer „Eras“-Tour auf einen ein, ihre Songs, Alben und Wiederaufnahmen ihrer Alben stürmten die Charts, dem Hype ist nicht zu entkommen.
Ihr Einfluss ist seit jeher hoch, man spricht von einem regelrechten Swift-Effekt. Seit Beginn ihrer Karriere Mitte der Nullerjahre stiegen die Gitarrenverkäufe an Mädchen, stiegen (trotz Siegeszug des Streamings) CD- und Vinylverkäufe, erhöhte sich (durch ihre Tour) das Bruttoinlandsprodukt der USA, wurden Frauen zu NFL-Fans (weil Swift aktuell Spieler Travis Kelce datet). Taylor Swift hat also Macht – und hat irgendwann erkannt, dass sie diese politisch nutzen kann.
War sie früher betont zurückhaltend mit politischen Aussagen, sprach sie sich ab 2018 offen dafür aus, demokratisch zu wählen. Als sie im September via Instagram (wo sie fast 300 Millionen Follower hat) ihre Fans dazu aufrief, sich auf vote.org als Wähler*innen zu registrieren, erhielt die Plattform sofort 35.000 neue Anmeldungen. Swifties, wie sich Swifts Ultrafans nennen, gehören vor allem der Gen Z an, und die wählt mehrheitlich demokratisch. Bei denen trifft Swift, die vor ein paar Jahren mit „Only The Young“ eine Hymne für junge Menschen schrieb, natürlich voll ins Schwarze.
Genau diese jungen Menschen fühlen sich nämlich immer weniger repräsentiert von einem Altersdurchschnitt von 65 Jahren in den Kammern des Kongresses. Dazu kommt Swifts Image, das stark auf Authentizität aufgebaut ist, für viele Fans ist sie wie eine beste Freundin. Sie spricht sich für die Belange aus, die ihr Publikum interessieren: Die Rechte von LGBTQ, Antirassismus, körperliche Selbstbestimmung oder das Beenden von Waffengewalt.
Und tatsächlich gehen Rechte, die die blonde, weiße Countrysängerin früher versucht haben, für sich zu vereinnahmen, auf die Barrikaden: Bei Fox News wird über Swift gelästert, Trump sagte mal, er möge ihre Musik, seit sie sich als demokratisch geoutet hat, um „25 Prozent weniger“.
Mittlerweile werden Swifties aber auch ohne ihre Heldin aktiv. Schließlich sind die Infrastrukturen schon da, ob in Form von Hashtags, Foren, Kommentarspalten, Fanseiten oder Konzerten. So organisierten sich argentinische Fans, um gegen den rechten Präsidentschaftskandidaten Javier Milei (La Libertad Avanza) Stimmung zu machen, der am 19. November gegen den amtierenden Wirtschaftsminister Sergio Massa in einer Stichwahl antritt.
Unter dem Hashtag #SwiftiesAgainstLLA“ mobilisieren sie auf X andere Swifties und Wähler*innen und schreiben, man wolle auf der richtigen Seite der Geschichte stehen.
Pop ist politisch
Wie gerufen kam da, dass Taylor Swifts Konzert-Tour vom 9. bis 11. November in Buenos Aires stattfindet. Bei dieser Gelegenheit halten die Swifties Plakate hoch und erinnern an ihre Werte mit Sprüchen, wie “A Swiftie doesn’t vote Milei“.
Immer wieder hieß es in den letzten Jahren: Pop ist tot, weil er nicht mehr politisch ist. Die Swifites stellen unter Beweis, dass das Quatsch ist. Auch wenn das, was früher die Protestsongs waren, heute die Instagrambildchen sind.
Sicher, während des Vietnamkrieges waren die Gesichter des Protestes große Namen und Künstler*innen wie Bob Dylan, John Lennon oder Joan Baez. Aber auch nach dem 11. September 2001 gab es Versuche, eine breite musikalische Bewegung aufzustellen, da sprachen sich Green Day, P!NK oder die Dixie Chicks gegen die Politik von George W. Bush aus. Allerdings war der republikanische Gegenwind zu groß.
In jüngerer Vergangenheit haben sich vor allem K-Pop- und insbesondere Fans der südkoreanischen Boygroup BTS als politisch aktiv gezeigt. Die „BTS-Army“ begehrte mehrmals gegen rechte Entwicklungen auf. Sie mischten sich 2021 in der Präsidenschaftswahl in Chile ein und engagierten sich gegen den rechten Kandidaten Jose Antonio Kast und für Gabriel Boric, sie kauften 2020 Karten für eine Kundgebung Donald Trumps, nur um dann nicht zu erscheinen, so dass er vor einem fast leeren Saal stand, sie fluteten nach dem rassistischen Mord an George Floyd rassistische Hashtags auf Twitter, sie generierten Spenden für Black Lives Matter.
“Power to the people“ scheint zumindest im Pop zu funktionieren – die Fans lernen, dass sie selbst politisch sein können, sich selbst zusammen tun und Forderungen stellen können.
Es braucht also wahrscheinlich keine Swift als Präsidentin, keine BTS in den Senaten und nicht noch mal die alten Kamellen von Lennon. Schaden würde es aber auch nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag