: Tausend Tränen tief
■ Mit Lasse Santakangas lädt ein Altmeister des finnischen Tangos zum Tanz
Kilometerweit führt die Straße wie vom Lineal gezogen durch den Wald. Plötzlich, mitten im Nichts, eine raststättenähnliche Holzhütte – und Autos, Autos, Autos. Sogar mit Reisebussen werden die Gäste herbeigekutscht. Kein Zweifel: Hier wird heute abend Tango getanzt. Und zwar so hölzern, wie es das Ambiente vermuten läßt.
Denn Tango in Finnland, das steht für steife Rhythmik und slawisch beeinflußte Moll-Melodien. Extrovertierte Posen und erotisches Knistern sucht man hier vergeblich. Gedankenverloren gehen die Paare übers Parkett, singen die wehmütigen Texte mit und geben sich der kaihomieli hin, einer Sehnsucht nach dem Unerreichbarem. Der Komponist Unto Mononen war es, der dieser Stimmung ein musikalisches Denkmal gesetzt hat. Sein „Satumaa“, eine Ode auf ein Märchenland, das irgendwo auf der anderen Seite des Meeres liegt, ist die heimliche finnische Nationalhymne.
Natürlich hat auch das Lasse Santakangas Ensemble diesen Klassiker im Repertoire. Seit einem halben Jahrhundert spielt der Namensgeber des Sextetts Tangos auf dem Akkordeon – ungefähr genauso lange wie die Variante des argentinischen Tanzes fest im musikalischen Alltag Finnlands verankert ist. Gewöhnlich tingelt Santa-kangas mit seinem Familienbetrieb über die Dörfer rund um Mononens Heimatort Somero. Und nun dies: eine Tournee durch 13 Städte in der Schweiz und Deutschland! Zu verdanken ist das Tule tanssimaan, einer wunderbaren Zusammenstellung mit Klängen , wie sie in Aki Kaurismäkis Filmen aus jedem zweiten Kofferradio tönen. Mittendrin: zwei Livemitschnitte von Lasse Santankangas und Co.
Das Schlagzeug hinkt stilvoll hinterher, das Akkordeon pumpt rustikal und Sängerin Kaija schreitet auf wackeligen Beinen die Tonleiter ab. Filigran ist das nicht. Aber tausend Tränen tief. Ganz so, wie es sich für Lieder gehört, die vom einsamen Mädchen hinter dem Tresen der Trinkhalle handeln. Oder vom Schnee, der auf die Liebe des vergangenen kurzen Sommers gefallen ist. Oder vom rätselhaften Märchenland. Jan Möller Mo, 19. April, 21 Uhr, Prinzenbar
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