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Tausche Tomaten gegen Fisch

Fischereiabkommen und Assoziierungsvertrag zwischen EU und Marokko unter Dach und Fach. Marokko öffnet seine Märkte  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Das neue Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko steht. Der wichtigste Punkt: ein schrittweiser Abbau der Fangquoten um bis zu 30 Prozent innerhalb der nächsten vier Jahre, je nach Fischart. Ein Drittel der Fänge werden künftig in den Häfen des Maghreblandes gelöscht, um so die einheimische Industrie anzukurbeln. Jedes Boot über 250 Tonnen muß sechs marokkanische Seeleute, anstatt wie bisher fünf, unter Vertrag nehmen. Die EU bezahlt an Rabat 350 Millionen Ecu für die Fangrechte. Mit dem Geld will Rabat das eigene Fischereiwesen modernisieren, um künftig seine Fischgründe selbst auszubeuten. Zwei Monate im Jahr müssen die EU-Fischer im Hafen bleiben, um den Beständen eine Erholungspause zu gönnen. Marokko forderte drei Monate.

Die EU-Fischer, allen voran die Spanier, laufen Sturm. 12.000 Arbeitsplätze gingen verloren. Spaniens Landwirtschafts- und Fischereiminister Luis Atienza versucht zu beschwichtigen. Es sei genug Zeit, neue Fischgründe zu erschließen. EU-Fischereikommissarin Emma Bonino fordert dagegen Verständnis für die ärmeren Länder, die zunehmend ihre Ressourcen selbst nutzen wollen. Ihre Lösung: ein schrittweiser Abbau der spanischen Fischerei. Doch davon will Madrid nichts wissen. Zu groß ist die soziale Sprengkraft. 85.000 Menschen leben direkt von der Fischerei, 425.000 von der Weiterverarbeitung.

Jetzt wartet alles gespannt auf die Verhandlungen zum Assoziierungsabkommen Europa-Marokko. Zwei Unterschriften oder keine, das ließ Marokkos Monarch Hassan II Spaniens Ministerpräsidenten Felipe González auf einem Treffen am Rande der UNO-Jubiläumsfeier wissen. In den nächsten Tagen wird es soweit sein. Große Überraschungen sind kaum noch zu erwarten, obwohl Deutschland und Holland bremsen. Was den spanischen und französischen Bauern die Sorge um die verstärkte Einfuhr von Tomaten aus Marokko ist, sind ihnen Frühkartoffel und Schnittblumen. Hier soll noch einmal nachgebessert werden.

Doch die höheren landwirtschaftlichen Einfuhrquoten sind nur ein unbedeutender Preis dafür, daß Marokko bis zum Jahr 2008 alle Märkte für die Europäer öffnet. Vor allem der EU-Industrie kommt der Wegfall der hohen Schutzzölle zugute. Dabei muß sich Marokko künftig an die europäischen Regeln – keine wettbewerbsverzerrenden staatlichen Subventionen für einzelne Industriezweige – halten. Ein wichtiger Punkt für Brüssel, mit Blick auf den marokkanischen Stahl. Rabat wird das Ganze mit Wirtschaftshilfen im Wert von 350 Millionen Ecu allein in den ersten drei Jahren sowie steigenden Investitionen versüßt.

Bei aller Liberalisierungswut, die Grenzen bleiben auch weiterhin dicht. Hassan II hat einmal mehr das Versprechen abgelegt, energischer gegen die illegalen Zuwanderungsströme aus Afrika vorzugehen. Ein Trostpflästerchen für die Menschen in Marokko bleibt: Künftig werden diejenigen, die den Sprung über die Meerenge von Gibraltar legal geschafft haben, in Sachen Sozialversicherung den EU- Bürgern gleichgestellt.

Die Abkommen sind noch nicht unterschrieben, und schon kommen Klagen. Polisario, die Organisation, die seit über 20 Jahren für die Unabhängigkeit der von Marokko besetzten Westsahara eintritt, droht mit rechtlichen Schritten gegen das Fischereiabkommen. Es schließe auch die Fischbestände vor den Küsten der ehemaligen spanischen Kolonie mit ein. Polisario sieht darin ein weiteres Manöver Marokkos gegen die Vorbereitungen des UN-Referendums über die Zukunft des Landstrichs.

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