: Tausche Kornbuddel gegen Goldene LP Schallplatte
■ Da hilft auch kein Allohol: Die Bremer Hardcorecombo „44XES“ feierte öffentlich ihre erste CD mit vielen Gästen, ein paar Kisten Klaren und allen Klischees
Eigentlich hätte die Debüt-CD der Bremer Crossover-Band „44XES“ bereits im Februar erscheinen sollen, aber der Erfolg kam dazwischen. Ihr Vertrag mit dem Bad Homburger Kleinlabel „Zoth Ommog“ war unterschrieben, als die größere Firma „Castle Communications“ auf das Quartett aufmerksam wurde. Friedlich einigten sich die Parteien und brachten „Banish Silence“ nun gemeinsam heraus. Wenn sich kurz nach Gründung zwei Plattenfirmen um eine Nachwuchsband reißen, muß das ihr ja zu Kopf steigen. Auf ihrer Record-Release-Party am Donnerstag im „Tower“ gebärdeten sie sich jedenfalls, als sei ihre CD nicht gerade erst erschienen, sondern schon vergoldet.
Zu einem tosenden Playback-Intro blieb die Bühne zunächst dunkel, bevor die Band endlich angestrahlt wurde und mit einem gekünstelt kumpelhaften „n'Abööönd!“ scheinbar Freunde machen wollte. In Wirklichkeit erwarteten sie natürlich frenetischen Jubel, der allerdings ausblieb. In die so entstandene Pause klingelte stattdessen das Tower-Thekentelefon hinein, was für einen wirklich brillanten Lacher sorgte. Danach dachte die wirkliche Brillanz wohl, sie hätte ihre Schuldigkeit getan und verschwand auf Nimmerwiedersehen.
„44XES“ nehmen sich sehr ernst. Mit grimmigen Mienen reißen sie ihre Songs herunter. In ihrem kraftvollen, aber gleichförmigen Soundbrei fällt sogar das Fehlen eines Bassisten nicht weiter auf. So gesehen sind sie weder besser noch schlechter als andere Hardcorebands, wie man ihnen auf diversen Nachwuchsfesten begegnet.
Mit ihrer selbstverliebten Show hingegen könnten sich die Bremer auch bei „Mann-O-Mann“ sehen lassen. Schneller als selbst Henry Rollins stand der Sänger mit freiem Oberkörper da, war aber leider keineswegs so unterhaltsam tätowiert oder gebuildet wie der New Yorker Popkraftathlet.
Gleichviel: Das Publikum wurde trotz aller verkrampften Posen langsam warm mit der Band. Vielleicht lag es am traditionellen Herumreichen einer Kornflasche, die allerdings energisch aufgedrängt werden mußte („Die Party zur Platte! Der Korn zur Party! Den müßt ihr jetzt nehmen!“). Zum Schluß waren bei den musizierenden Gesellen die Augen größer als die Leber gewesen: Eine Kiste Korn und fünf Flaschen Bier blieben übrig, die dem Publikum unzeremoniell überlassen wurden.
Dem Hang zu peinlichen Gesten blieb die Band auch nach Dienstschluß treu. Da hatte der Frontman über die nackten Sängerschultern längst ein weißes Handtuch geworfen. Wer meinte, Sänger Heiko Grein würde wenigstens vor diesem letzten Klischee zurückschrecken, war schief gewickelt. Als hätte er sich neulich ein paar Tricks bei Tom „Tiger“ Jones abgeguckt, landete das Tuch im Publikum. Daß es dort von einem freudetrunkenen Fan ausgeschlürft wurde, ist zu bezweifeln.
Originell und eigen blieben die Samples zwischen den Songs. Die hört man freilich noch besser auf dem Album, was man auch ruhig tun sollte. Als Konserve ist der gut produzierte „Hard Floor Metal“ (Eigenwerbung) durchaus erträglich. In den eigenen vier Wänden kann man wenigstens nach eigenem Gutdünken kraftmeiern (oder es sein lassen) und muß nicht noch anderen dabei zuschauen.
Andreas Neuenkirchen
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