„Tatort“ aus Stuttgart: Zwischen Schuld und schuldig
Ein Anwalt verursacht einen tödlichen Unfall. Doch er informiert den Notruf nicht. Wie geht man mit einer so fatalen Fehlentscheidung um?
Wieder einsteigen und weiterfahren. Diese Entscheidung trifft Familienvater und Anwalt Ben Dellien (Nicholas Reinke) nach einem nächtlichen Zusammenprall auf einer Landstraße. Denn auf den ersten richtigen Impuls – aussteigen und nach dem Rechten schauen – folgt der Schock und die Flucht: ausgelöst durch eine Basecap, die am hinteren Scheibenwischer des SUVs hängt. Es bleibt nicht die einzige folgenschwere Entscheidung und nicht das letzte Mal, dass darüber gesprochen wird, was richtig und was falsch ist.
Der Besitzer der Basecap ist der obdachlose Peter Köster. Er wird bei dem Zusammenprall mit dem SUV in den Straßengraben geschleudert, wo er langsam an seinen Verletzungen stirbt. Ein Tod, der mit nur einem Notruf hätte verhindert werden können – wenn man ihn denn abgesetzt hätte. Ein Gedanke, der auch den Anwalt Dellien verfolgt. Während er von Gewissensbissen eingeholt wird, starten die Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) ihre Ermittlungen: Fahrerflucht und fahrlässige Tötung.
Für die Zuschauer*innen steht der Schuldige bereits nach den ersten Minuten fest. Und auch für Lannert und Boots rückt der SUV-Fahrer schnell in den engsten Kreis der Verdächtigten. Dennoch sind die Fragen rund um die Schuld nicht geklärt und ziehen sich durch den gesamten Film.
Wie wird man mit ihr fertig? Und ist das überhaupt möglich? Und falls nicht: Inwieweit werden Mitwissende gleichermaßen schuldig? Vor diesen Fragen stehen nicht nur Dellien und seine hochschwangere Frau Johanna (Christina Hecke), sondern auch Laura Rensing (Tatiana Nekrasov), die in einer Autowaschanlage arbeitet und nur durch Zufall in den Fall verwickelt wird.
So., 18.9., 20.15 Uhr, ARD und in der ARD-Mediathek
Dem „Tatort“ gelingt bis hierhin der Spagat zwischen Unterhaltung und tiefgründigen Fragen. Es sind Fragen, die von den Protagonist*innen angestoßen und von den Zuschauer*innen weitergedacht werden könnten. Wäre da nicht der Versuch, auch noch einen der Kommissare in eine Sinnkrise zu stürzen.
Denn nach etlichen Ermittlungen, Fällen und Jahren, die Boots als Kommissar tätig ist, wirkt seine grundsätzliche Frage nach dem Sinn der Polizei nun doch zu weit hergeholt. So braucht es erst Kollegen Lannert, der den erfahrenen Kommissar daran erinnert, dass auch eine falsche Entscheidung wie Fahrerflucht eben eine falsche Entscheidung zu viel ist – vor allem, wenn eine Leiche mit im Spiel ist.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen