„Tatort“ aus Stuttgart: Zwischen Schuld und schuldig

Ein Anwalt verursacht einen tödlichen Unfall. Doch er informiert den Notruf nicht. Wie geht man mit einer so fatalen Fehlentscheidung um?

Die beiden Komissare Lannert und Bootz stehen auf der Landstraße beim Tatort, wo die Leiche gefunden wurde.

Das Ermittlerteam steht vor der Frage, wer hinter der Fahrerflucht steckt Foto: Benoît Linder/SWR

Wieder einsteigen und weiterfahren. Diese Entscheidung trifft Familienvater und Anwalt Ben Dellien (Nicholas Reinke) nach einem nächtlichen Zusammenprall auf einer Landstraße. Denn auf den ersten richtigen Impuls – aussteigen und nach dem Rechten schauen – folgt der Schock und die Flucht: ausgelöst durch eine Basecap, die am hinteren Scheibenwischer des SUVs hängt. Es bleibt nicht die einzige folgenschwere Entscheidung und nicht das letzte Mal, dass darüber gesprochen wird, was richtig und was falsch ist.

Der Besitzer der Basecap ist der obdachlose Peter Köster. Er wird bei dem Zusammenprall mit dem SUV in den Straßengraben geschleudert, wo er langsam an seinen Verletzungen stirbt. Ein Tod, der mit nur einem Notruf hätte verhindert werden können – wenn man ihn denn abgesetzt hätte. Ein Gedanke, der auch den Anwalt Dellien verfolgt. Während er von Gewissensbissen eingeholt wird, starten die Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) ihre Ermittlungen: Fahrerflucht und fahrlässige Tötung.

Für die Zu­schaue­r*in­nen steht der Schuldige bereits nach den ersten Minuten fest. Und auch für Lannert und Boots rückt der SUV-Fahrer schnell in den engsten Kreis der Verdächtigten. Dennoch sind die Fragen rund um die Schuld nicht geklärt und ziehen sich durch den gesamten Film.

Wie wird man mit ihr fertig? Und ist das überhaupt möglich? Und falls nicht: Inwieweit werden Mitwissende gleichermaßen schuldig? Vor diesen Fragen stehen nicht nur Dellien und seine hochschwangere Frau Johanna (Christina Hecke), sondern auch Laura Rensing (Tatiana Nekrasov), die in einer Autowaschanlage arbeitet und nur durch Zufall in den Fall verwickelt wird.

Dem „Tatort“ gelingt bis ­hierhin der Spagat zwischen Unterhaltung und tiefgründigen Fragen. Es sind Fragen, die von den Prot­ago­nis­t*in­nen angestoßen und von den Zu­schaue­r*in­nen weitergedacht werden könnten. Wäre da nicht der Versuch, auch noch einen der Kommissare in eine Sinnkrise zu stürzen.

Denn nach etlichen Ermittlungen, Fällen und Jahren, die Boots als Kommissar tätig ist, wirkt seine grundsätzliche Frage nach dem Sinn der Polizei nun doch zu weit hergeholt. So braucht es erst Kollegen Lannert, der den erfahrenen Kommissar daran erinnert, dass auch eine falsche Entscheidung wie Fahrerflucht eben eine falsche Entscheidung zu viel ist – vor allem, wenn eine Leiche mit im Spiel ist.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.