piwik no script img

„Tatort“ aus StuttgartEine Frage noch

Die Tat: wie immer. Die Perspektive: wie selten. „Der Mann, der lügt“ ist ein Ausnahmefall für das Stuttgarter „Tatort“-Ermittlerteam.

Und das außerhalb der Kehrwoche: Jakob Gregorowicz (Manuel Rubey) räumt auf Foto: SWR / Alexander Kluge

Stuttgart liegt im Sonnenschein. „Was für ein herrlicher Tag!“, freut sich Jakob Gregorowicz (Manuel Rubey) in Gegenwart von Gattin Katharina (Britta Hammelstein) und Tochter Jule (Livia Sophie Magin). Ein harmonisches Familienbild. Dabei wird es nicht bleiben.

Am Arbeitsplatz warten zwei Kriminalbeamte, die Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare). In Gregorowicz’Bekanntenkreis hat es eine Gewalttat gegeben, sein Name stand im Terminplaner des Opfers. Ein Irrtum, meldet Gregorowicz. Der ­Vermögensberater Berger sei ihm nur vage bekannt, man habe seit Langem keinen Kontakt gehabt. Eine Lüge, die Gregorowicz in Schwierigkeiten bringen wird.

Uwe Berger hat mehrere Menschen um ihr Geld gebracht. Nun wurde er ermordet, sein Sohn Linus ist verschwunden. Nicht spurlos, wie man so schön sagt; im Hause Berger finden sich Blutstropfen des Filius. Die Kripo zieht in Betracht, dass er entführt wurde.

„Der Mann, der lügt“ ist ein Sonder-Fall für das Stuttgarter Ermittlerteam, angezettelt anlässlich ihres zehnjährigen Fernsehdienstjubiläums. Die Autoren Sönke Lars Neuwöhner und Martin Eigler, der auch Regie führte, ziehen das gewohnte Schema auf links: Die Zuschauerperspektive richtet sich ausnahmsweise nicht auf die Kommissare, sondern auf den Verdächtigen. Wir erleben, wie er ins Visier der Fahnder gerät, sie erst mit einer kleinen, dann mit einer größeren Lüge abschütteln möchte. Doch kaum glaubt er sich vom Haken, stehen die beiden wieder vor der Tür. Und hätten da noch eine Frage …

Der „Tatort“

Stuttgart-„Tatort“: „Der Mann, der lügt“, Sonntag, 20.15 Uhr, ARD

Es ist ein größtenteils überzeugendes Konstrukt, das die Verfasser vor besondere Herausforderungen stellte. Die polizeiliche Routine gewährt dem Kriminalschriftsteller einen festen Rahmen, der den Handlungsentwurf erleichtert. Neuwöhner und Eigler verzichten freiwillig auf dieses Korsett, schaffen behutsam Empathie mit Gregorowicz, stellen ihn unter Verdacht, entlasten ihn, säen neues Misstrauen.

So entsteht für dieses Mal wirkliche Spannung beim „Tatort“, der damit an die Qualitäten britischer Krimidramen wie „Broadchurch“ oder „Five Days“ anknüpft. Epische Serien, die nicht auf spektakuläre beziehungsweise spekulative Szenarien bauen, sondern mit präzisen, glaubwürdigen Charakterzeichnungen und einer ausgefeilten Psychologie zu fesseln vermögen. Handwerklich betrachtet eine respektablere Leistung, als holzgeschnitzte Serienhelden durch eine atemlose Handlung zu hetzen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!