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Tatort Hamburger Hafen

■ Wasserschutzpolizei im Kampf gegen Umweltkriminalität / Illegale Müllbeseitigung und Ölentsorgung im Brennpunkt Von Marco Carini

Die Wasserschutzpolizei wurde fündig: Die fünf russischen Container die sie routinemäßig öffnen ließ, waren bis an den Rand gefüllt mit Computerschrott, Kabelresten und Kunststoffen. Für den aus Sachsen stammenden Sondermüll, der nach Kiew verschifft werden sollte, lag weder einer Transport- noch eine Importgenehmigung vor. Er sollte illegal „entsorgt“ werden.

Kein Einzelfall. Die Umweltkriminalität im Hamburger Hafen ist im vergangenen Jahr nicht zurückgegangen. Wie auch 1992 registrierte die Wasserschutzpolizei mehr als 18oo Umweltstraftaten. Und die Tendenz zeigt zum Teil sogar nach oben. So rechnet Lothar Bergmann, von der Landespolizeidirektion, mit einer „drastischen Zunahme illegaler Müllexporte in ehemalige Ostblockländer und Entwicklungsstaaten.

Besonders mit der Verschiffung von Grüner-Punkt-Abfällen sei immer noch „die schnelle Mark zu machen.“ Ob in Polen, Indonesien oder Afrika: Ganze Müllhalden seien schon mit bundesdeutschen Recycling-Abfällen zugestopft worden, von denen zumindest Teile über Hamburg verschifft worden sein dürften. Die Verantwortlichen aber kommen meist ungeschoren davon: Zwar registrierte die Polizei 1993 825 Fälle „umweltgefährdender Abfallbeseitigung“, doch nur 48 mal gelang der Nachweis einer Straftat. Vor allem die Zahl „wilder“ Müllablagerungen nahm im vergangenen Jahr drastisch zu.

Neben der illegalen Abfallbeseitigung sind es vor allem „Gewässerverunreinigungen“, hauptsächlich durch verbotene Öleinleitungen, die das Gros aller von der Wasserschutzpolizei aufgedeckten Umweltstraftaten ausmachen. 90 Prozent aller von ihr verfolgten Umweltdelikte stammen aus diesen beiden Bereichen. Als Grund für die weiterhin hohe Umweltkriminalität macht die Wasserschutzpolizei die laschen Umweltgesetze aus. Oft werden Öleinleitungen nur als Ordnungswidrigkeit verfolgt. Die Geldstrafen sind dann so gering, daß eine ordnungsgemäße Entsorgung kaum lohnt. Ein weiteres Problem: Reinigen die Frachter ihre Öltanks in internationalen Gewässern, ist der Staat für die Ahndung des Vergehens verantwortlich, unter dessen Flagge die Boote fahren. Doch in vielen „Billigflaggenländern“ gibt es überhaupt keine Umweltgesetze.

Das illegale Abpumpen von Öl könnte in der Zukunft sogar noch zunehmen, befürchtet Bergmann. Denn die aus Umweltbehörden-Mitteln finanzierte „kostenlose Ölentsorgung von Seeschiffen“ sei für 1995 „nicht gesichert“. Da Hamburg fast der einzige Hafen sei, der diesen Umsonst-Service anbiete, entstehe „ein Sogeffekkt“: immer mehr Schiffe nutzen das Angebot. Doch mehr Staatsknete wird es in den kommenden Jahren für die Ölentsorgung kaum geben; schon heute kostet sie den Steuerzahler per anno 8 Millionen Mark.

„Wir suchen nach Wegen die Verursacher zu beteiligen“, erteilt auch Umweltbehördensprecher Kai Fabig dem Entsorgungsservice auf Staatskosten eine Absage. Das Problem: gegen den Plan, die Entsorgungskosten auf die Hafengebühren draufzuschlagen, läuft die Wirtschaftsbehörde Sturm. Sie befürchtet, daß der Hafen durch höhere Gebühren weniger konkurenzfähig wird. Sollen aber die Schiffe und Reeder direkt zur Kasse gebeten werden, werden sie das Portemonnaie fest verschließen. Und wieder fröhlich ihr Öl in die See abpumpen.

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