: Tatort Europa
Es ist wie im Krimi: es passiert viel - aber was geschieht hier eigentlich? Niemand vermag zu sagen, in welchem Detail, in welcher unscheinbaren Verordnung oder Konferenz sich die Auflösung des Ganzen verbirgt. Die (teil-)europäische Einigung spielt sich noch hinter dem Rücken der Beteiligten ab, wo sie doch auf demselben ausgetragen werden wird. Die Kapitalmärkte bilden die Avantgarde EG-Europas, während die politische Integration hinterherhinkt - glücklicherweise. Denn wo die Grenzen 1992 aufgehoben werden sollen, entstehen sie anderswo neu, gegenüber Asylbewerbern oder auch gegenüber den osteuropäischen Ländern, die gerade dabei sind, sich zu des-integrieren. Europas Grenzen verlaufen immer weniger zwischen den Staaten der EG und immer mehr in ihnen:während die Eliten (inklusive der Oppositionsparteien) ausnahmslos auf Integrationskurs liegen und sich in Ministerien und Festspielen in Brüssel, Mailand und Barcelona gleich zuhause fühlen, wird eine neue Grenze gezogen zu denen, die vom europäischen Fortschritt zurückgelassen werden. Hier entsteht eine europa- und diffus technikfeindliche, xenophobe Opposition, aus der zuletzt Frankreichs Le Pen mit Erfolg seine Stimmen schöpfte. Was geht hier vor? Wo liegen die neuen Zentren der Macht, und wo entstehen durch die Entmachtung der Nationalstaaten Freiräume für Leute, die noch an Veränderung glauben? Kann der Neuformierung von Macht mit List und Tücke etwas abgewonnen werden? Debatten über eine diffuse „europäische Identität“ helfen als Antwort nicht weiter. Ansonsten hüllt sich die Linke noch in Schweigen - die taz nicht mehr... Unter dem Signet „Tatort Europa“ möchten wir in lockerer Folge und in Zusammenarbeit mit anderen europäischen Zeitungen Debatten organisieren (die erste am 4.Juli in Rom) und Hintergrundberichte über dieses Niemandsland zwischen Inland und Ausland abdrucken. Zum Auftakt wird Thomas Scheuer nach dem EG-Gipfel in Hannover eine Live-Reportage aus dem Rachen des Löwen, der Brüsseler EG-Kommission schreiben.
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