Tata Nano feiert Geburtstag: Der indische Volkswagen
Mit dem Nano wagt sich der indische Tata-Konzern an einen neuen Kleinwagen für Indiens Mittelschicht, Darüber konnten westliche Konzerne nur lächeln - bis die Wirtschaftskrise kam.
r ist gerade einmal ein Jahr alt, riecht nach Plastik und hat schon mehr als 4.400 Freunde auf Facebook: der Tata Nano, das billigste Auto der Welt. Vor einem Jahr wurde der ohne Steuern 1.450 Euro teure "indische Volkswagen" vorgestellt. Jetzt kommt er mit mehr als einem halben Jahr Verspätung in den indischen Handel. Dabei brachte das Windkanal-Ei seinem Vater, Konzernchef Ratan Tata, schon einige graue Haar ein. Denn noch bevor der erste Nano vom Band rollte, holte ihn Indiens Realität ein.
Bauern in Singur im Bundesstaat Westbengalen gingen vor der Baustelle des gigantischen Nano-Werks auf die Barrikaden, weil sie zu wenig Entschädigung für ihr enteignetes Land erhalten hätten. Tata ließ sich auf keinen Kompromiss ein und suchte einen neuen Standort.
Wenige Wochen später lag er sich mit Narendra Modi, dem Ministerpräsidenten des westindischen Bundesstaates Gujarat, bei einer Pressekonferenz in den Armen. Der Nano solle in Gujarat gebaut werden, erklärte der Konzernchef, und lobte die effiziente Regierungsarbeit des Ministerpräsidenten. Damit unterstützt Tata mit Modi einen fanatischen Hindunationalisten, der im Jahr 2002 Morde an tausenden Muslimen durch Anhänger seiner Partei und einer extremistischen Hinduorganisation orchestrierte.
Doch die Nano-Fabrik in Gujarat wird frühestens 2010 in Betrieb gehen. Bis dahin sollen anderen Automobilfabriken des Tata-Konzerns provisorisch die ersten Nanos produzieren: Interessenten können im April ihre Bestellung für den 3,10 Meter langen, 1,50 Meter breiten, von einem 33 PS starken Heckmotor angetriebenen Billigflitzer einreichen. Daraus sollen 100.000 Käufer ausgelost werden, die sich ab Juli als Erste mit eigenem Nano ins indische Verkehrschaos stürzen können. Alle anderen werden bis spät im Jahr 2010 warten müssen.
Ob es dem Kleinwagen gelingen wird, den Tata-Automobilkonzern wieder in tieferes Fahrwasser zu lotsen, ist dagegen fraglich. Denn mit der Übernahme der britischen Verlustmarken Rover und Jaguar im vergangenen Jahr hat sich Tata schwer überhoben. Nun schlägt die globale Rezession auch auf die indischen Autohersteller mit voller Wucht durch: Zwischen Oktober und Dezember 2008 machte Tata umgerechnet rund 40 Millionen Euro Verlust.
Experten gehen davon aus, dass Tata bis 2015 mindestens 1,5 Millionen Nanos in Indiens staubiges Verkehrsdurcheinander werfen muss, bevor der Konzern die erste Rupie an seinem Kleinen verdient. Zwar soll der Nano einen geringen Kohlendioxidausstoß haben als viele Motorräder. Doch ist eine Massenmotorisierung mit seiner Hilfe der Albtraum aller Klimaschützer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos