Taser: Elektroschocks gegen Suizid
Die Polizei will die gefährliche Elektroschock-Pistole gegen Personen einsetzen, die schmerzunempfindlich sind. Bisher gab es nur einen Einsatz gegen einen Selbstmörder.
In Frankreich dürfen Menschenrechtsorganisationen die Waffe nach einem Gerichtsbeschluss mit Folterinstrumenten gleichsetzen. Amnesty International stuft ihn als "tödliche Waffe" ein: den Taser. Eine Elektroschockpistole, die mit Widerhaken versehene Projektile gegen den Körper der Zielperson schießt, über die elektrischen Schläge erzeugt werden. In Bremen wurden im Jahre 2006 fünf Taser-Waffen für 12.733 Euro gekauft - bislang jedoch nur einmal eingesetzt. Das geht aus einer Antwort des Senats auf eine Grünen-Anfrage hervor.
Es handele sich beim Taser um ein "erprobtes Zwangsmittel", erläutert der Senat: "Er bietet die Möglichkeit, auf kurze Distanz beim Gegenüber Angriffs- oder Handlungsunfähigkeit zu erzielen ohne von der Schusswaffe Gebrauch machen zu müssen. Ziel des Tasereinsatzes soll es sein, in bestimmten dafür geeigneten Situationen, auf den Schusswaffeneinsatz zu verzichten."
Die weiteren Erläuterungen der Senats auf die Frage nach dem polizeitaktischen Sinn zeigen allerdings, dass der Einsatz keineswegs auf Situationen, die einen Schusswaffengebrauch zwingend rechtfertigen würden, beschränkt ist: "Insbesondere bei Suizidenten, gegen die ein Schusswaffengebrauch nicht möglich wäre, ist der Tasereinsatz sehr erfolgversprechend", heißt es da. Und der Elektroschock würde auch wirken bei Personen, die wegen ihres Drogen- oder Alkoholkonsums oder wegen anderer psychischer Ausnahmesituationen "schmerzunempfindlich sind".
Einen Taser-Einsatz gab es in Bremen seit 2006 erst einmal: "Der Einsatz erfolgte bei einem Zugriff auf einen mit einem Messer bewaffneten Suizidenten." Der Mann wollte sich mit einem Messer umbringen, sagt der Sprecher des Innensenators. Wäre das eine mögliche Situation für einen Schusswaffeneinsatz gewesen? "Das wäre eine Einsatzoption gewesen", bestätigt der Behördensprecher.
Bei der Auswertung der Taser-Einsätze in den deutschen Spezialeinheiten, so der Senat, "sind keine Erkenntnisse bekannt, die dazu führen könnten, dieses Einsatzmittel abzulehnen." In Kanada dagegen machte ein Fall Schlagzeilen, in dem ein 40-jährige polnischer Immigrant nach einem Taser-Einsatz starb. Vier Polizisten erklärten übereinstimmend, der Mann habe sich gegen den polizeilichen Zugriff gewehrt. Das Video eines Passanten, der zufällig Augenzeuge wurde, zeigt einen verwirrten, erschöpften Mann, der vor vier kanadischen Polizeibeamten zurückweicht und dann schreiend zusammenbricht. Der Mann hatte keineswegs versucht, Widerstand gegen die vier Beamten zu leisten.
In den USA, wo der Umgang damit zum polizeilichen Alltag gehört, starben zwischen 2001 und August 2008 laut Amnesty International 334 Menschen im Zusammenhang mit Taser-Einsätzen. 90 Prozent der Getöteten seien selber nicht bewaffnet gewesen. Insbesondere für Menschen unter Medikamenteneinfluss, mit Herzkrankheiten oder Psychosen gelten die Elektroschocks als lebensgefährlich.
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