■ CSU pflegt in Wildbad Kreuth ihren Mythos – sonst nichts: Taschenmesser in der Lederhose
Eines muß man der CSU lassen: In Mythenbildung und Mythenbewahrung ist sie Spitze. Ob „Biergartenrevolution“ oder „Kruzifixdemo“, ob „Politischer Aschermittwoch“ oder F.J. Strauß, die Staatspartei versteht es, bayerisches Brauchtum und die eigene Politik in einer Weise zu verknüpfen, daß zumindest für außerbayerische Beobachter Bayern und die CSU fast identisch sind. Wesentlicher Bestandteil dieser Verknüpfung ist die seit Jahrzehnten geübte Praxis, es immer wieder mal so richtig schön „kracha z'lassen“. Das bringt Farbe ins Leben und weist die CSU als exklusive Vertreterin jenes Lederhosen-Odeurs aus, das Nordlichter leicht amüsiert den Kopf schütteln läßt, viele unbedarfte Freunde des Bajuwarentums aber in eine Art politische Geiselhaft nimmt. Wer sonst in Bayern bekennt sich schließlich so unentwegt zu dem Prinzip „Mir san mir“?
Es war vor allem Franz Josef Strauß selig, der die entscheidenden Verhaltensmaßregeln „bayerischer Lebensart“ als sinnstiftende Ingredienzien erfolgreicher CSU-Politik entwickelt hat. So gilt auch die CSU-Klausurtagung in „Wildbad Kreuth“, deren 20. Jubiläumssitzung heute beendet wird, noch immer als eines der gelungensten Beispiele dafür, wie CSU- Bayern einmal die Republik erschütterte. Im November 1976 hatten Strauß und die CSU-Bundestagsfraktion auf der ersten Tagung am Tegernsee mit ihrem Beschluß, sich von der CDU zu trennen (und in die anderen Bundesländer zu marschieren), ein hübsches Erdbeben ausgelöst. Kohl, „dieser politische Pygmäe“ (Strauß damals), konnte zwar die Trennung mühsam verhindern, doch der nächste Kanzlerkandidat der CDU/CSU hieß Strauß. Die Legende vom „Geist von Kreuth“ war geboren: Die CSU als jederzeit aufklappbares Taschenmesser in der Lederhose.
Natürlich ließ es sich die CSU nicht nehmen, „Kreuth“ hinfort als regelmäßige Winteraufführung in ihr Brauchtumsprogramm aufzunehmen. Viel ist dabei seither nie mehr herausgekommen. Der groß gewordene „Pygmäe“ hat den „Geist von Kreuth“ ausgesessen. Daß diesmal Brigitte Seebacher-Brandt zum Kamingespräch nach Kreuth kam, dürfte die SPD mehr geärgert haben als die CDU. Immerhin, so ist zu hören, will man 1996 wieder einen „Trennungsbeschluß“ verkünden: „Zukunft statt Sozialismus“ soll nach dem Willen der CSU die neue Losung sein. Das wird die Republik erschüttern. Thomas Pampuch
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