Tarifverhandlungen bei Zeitungen: Auf, auf zum Kampf
Immer mehr Verlage steigen aus Tarifverträgen aus, zuletzt auch der Berliner Verlag. Zum Ärger der Gewerkschaften. Erste Streiks sind angekündigt.
Die Ausgangslage könnte für Georg Wallraf nicht ungünstiger sein: Ihm läuft die eigene Klientel davon. Wallraf ringt derzeit als Verhandlungsführer der Zeitungsverleger mit den Gewerkschaften um neue Konditionen für die 14.000 Redakteure der deutschen Tageszeitungen. Am Mittwoch steht das dritte Treffen für einen neuen Tarifvertrag für die Branche an. Wenn die Parteien in Berlin zusammenkommen, wird Wallraf noch einmal weniger Mandate in der Tasche haben als bisher. Sein Rückenwind nimmt ab.
Warum es längst nicht mehr um einen „Flächentarifvertrag“ geht, zeigt ein Blick auf die Deutschlandkarte: Der Verlegerverband BDZV verhandelt nur für die Mitglieder in den alten Bundesländern und Mecklenburg-Vorpommern. Es geht also ohnehin eigentlich nur um den Westen der Republik und nicht mal dort um Konditionen für alle: Immer mehr Verlage wählen in ihrem Branchenverband die sogenannte OT-Mitgliedschaft, also „ohne Tarif“. Der BDZV macht das mit – zum Ärger der Gewerkschaften.
Gerade ist etwa der Berliner Verlag mit seiner Berliner Zeitung aus dem hauseigenen Tarifvertrag ausgestiegen. Und auch wer künftig bei Bild anfängt, wird „OT“ angestellt: in einer Gesellschaft, die jenseits des Kerns des Gemischtwarenladens Axel Springer operiert. Beide Häuser reihen sich in einen laufenden Prozess ein, denn der Flächentarif deckt nicht mal mehr die Hälfte aller Zeitungsverlage ab.
Ob dieser Statuts schlechtere Bedingungen nach sich zieht, wie es die Gewerkschaften reflexartig vermuten, ist freilich offen. Manch ein regionaler Verlag bietet zumindest ähnliche Konditionen an, will das Heft aber in der Hand behalten und vor allem nicht bestreikt werden, wenn sich die großen Verhandlungen mal wieder hinziehen – so wie jetzt.
"Zerfallstendenzen"
Diese anhaltende Tarifflucht schwächt die Verhandlungsposition des BDZV. Der stellvertretende Ver.di-Vorsitzende Frank Werneke spricht vor dem dritten Treffen in aller Süffisanz von „Zerfallstendenzen des Verlegerverbandes“.
Hinter den Kulissen schieben die Verlagslobbyisten den schwarzen Peter wiederum zurück: Die Gewerkschaften seien schuld an der Tarifflucht, die letztlich doch auch ihnen schade, weil sie dann viele einzelne Hausverträge verhandeln müssten. Mit ihrer Sturheit aber ließen sie den Verlagen keine andere Wahl. Individuell könne nämlich meist vereinbart werden, was unbedingt auch einen neuen „modernen“ Flächentarif prägen müsse: größere Intervalle für Gehaltserhöhungen, im Gegenzug lieber Bonuszahlungen für vereinbarte Erfolge, Zurückhaltung beim Urlaub und längere Ausbildungszeiten.
Alles soll bleiben wie bisher
Die Verlage pochen derzeit vor allem auf die Möglichkeit, Lohnsteigerungen drücken zu können, wenn die Region um eine Redaktion nicht gedeiht. Geht es nach den Verlagen, dann könnte darüber der Kaufkraftindex entscheiden. Ver.di-Vize Werneke will hier nicht mitziehen: „Von diesem Modell würden alle Verlage mit überregionalen Titeln profitieren – das kann nicht sein!“ Einen Gegenvorschlag hat er allerdings auch nicht parat. Im wäre es am liebsten, wenn alles so bleibt wie bisher, und das mit mehr Geld.
Neben der eher ideologischen Deutschen Journalistenunion (DJU), die ein Teil von Ver.di ist, sitzen auch Vertreter des eher pragmatischen Deutschen Journalistenverbandes (DJV) mit am Tisch. Beide erhöhen nun den Druck auf die Verlage: Sie organisieren für diese Woche erste Streiks. Los geht es an diesem Montag unter anderem im Südwesten der Republik. Alle Seiten rechnen inzwischen damit, sich erst Anfang 2014 einig zu werden – wenn überhaupt.
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