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Tanz mir das schöne Schaf

■ Tanztheaterwochen: Compagnie Michele Anne de Mey

Friedlich blökt das Schaf. Es frißt, macht einige Ködel, wird an einer Leine über die Bühne geführt oder steht einfach rum und betrachtet tänzerisches Treiben und Publikum. Michele Anne de Mey wollte in ihrer Produktion Sonatas 555, getanzt auf Kampnagel von 9 Tänzern und Tänzerinnen ihrer belgischen Compagnie, der kunstvoll konstruierten Musik Scarlattis ein „foreign element“ hinzufügen: „The sheep has only to be there, present and watchful.“ Das klingt etwas nach abgegriffenem Rekurs auf die immer wieder grundlegende Dichotomie Kunst und Natur, deren Spannung in der Kunst nur schwer darzustellen ist, da die Natur meist zum Bestandteil der Kunst wird. So verleiht das Tier hier dem fröhlichen, unbeschwerten Treiben der Tänzer auch eher etwas Ländliches: Kein „foreign element“, sondern ein bewegter Abend auf dem Dorf.

Die große Bühne der Halle 6 ist nur mit wenigen Requisiten angereichert: Einige überdimensionale Mikadostäbe, eine Formation kleiner Holzklötze und ein bescheidener Rasthaufen für Schaf und Betreuer. Viel Raum wird benötigt für die Bewegung. Die Tänzer fliegen fast über die Bühne, kreiseln oder rollen. Mit unheimlicher Dynamik, erstaunlicher Virtuosität und rhythmischer Präzision entsteht nach anfänglichem Mikado-Spiel ein flinkes, fröhliches Treiben.

Kinderspiele finden ihren Raum: Hüpfen, Hinken, auch das Kreiseln, Händeklatschen, hinter jemanden Schleichen, Stabschwingen und -springen oder Schaf Verstecken. Jugendliche Freizeitkleidung aus den 50ern verstärkt den Eindruck, es handelt sich hier um das sportive Treiben einer jungen (Dorf-)Clique - harmonisch wie die barocken Sonaten Scarlattis, friedfertig wie das Schaf.

Gerade das Unbeschwerte ist natürlich genaue Choreographie, die Compagnie leistet harte professionelle Bewegungsarbeit. Doch Schweiß ist bei aller virtuoser Anstrengung tabu: Alles ist schön anzusehen und versetzt den Großstadtmenschen in die Sehnsucht nach ziellosem Spiel und menschlicher Harmonie. Später folgen erste Küsse und erste Liebe, alles flüchtig, alles ohne Eifersucht oder Schmerz, Zärtlichkeiten vor jeder Geschlechtlichkeit.

Der Schafbetreuer im legeren schwarzen Anzug schaut meistens zu, sinniert laut, feuert an, trinkt Wein und manchmal tanzt er Soli. Immer wieder flirtet er mit den Mädchen. Zwischendurch sagt er einmal: „I want to walk, but I don't know why.“ Dieses offene „warum“ stellt sich eben auch diesem nur schönen, nur harmonischen Abend, der selbst keine Fragen stellt, sondern sein Medium, die Bewegung, gekonnt und begeistert feiert.

Niels Grevsen

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