: Tanz den Mussolini
Cappadonna, Noreaga und Xzibit: Solo-Rapper unterschiedlichen Kalibers ■ Von Volker Marquardt
Wie bekloppt muß man eigentlich sein, um Bewährungsauflagen zu ignorieren? Der Herr Capone hielt sich jedenfalls nicht daran und wanderte flugs zurück in den Knast – so will es jedenfalls die Legende. Sein partner in crime and rhyme Noreaga hat die Zeit genutzt, um an seiner Solokarriere zu basteln und buchstabiert auf N.O.R.E. erstmal seinen Namen möglichst häufig durch. Doch zumindest in der Hip-Hop-Community ist Noreaga aka Victor Santiago längst bekannter als der zentralamerikanische Diktator, der ihm den Künstler-namen lieh.
Die schillernde Vita von General Manuel Antonio Noriega muß den Rapper aus Queens nachhaltig fasziniert haben. Jahrelang eng mit dem CIA verbandelt, wurde der Diktator Panamas 1989 von einer US-Invasion gestellt und in die USA verfrachtet. Dort setzte er sich aber keinesfalls zur Ruhe, sondern schmuggelte fröhlich für das Medellin-Kartell. 1992 verurteilte ihn daraufhin ein Gericht in Miami zu stattlichen 40 Jahren Haft. Crime around the world.
Zusammen mit seinem nach einem anderen Schwerverbrecher benannten Buddy Capone fertigte Noreaga im letzten Jahr The War Report, ein Album, das von den beiden wichtigsten HipHop-Magazinen The Source und Vibe ausnahmsweise einhellig zum besten Underground-Album des Jahres gekürt wurde. Dem Titel entsprechend ging es um Kommentare zu internationalen Verbrechern aus Politik und Wirtschaft, gewürzt mit reichlich Verschwörungstheorien. Dabei gaben sich Capone-N-Noreaga nicht mit kleinen Fischen ab. Genau hier macht auch Noreaga als Solist weiter, wenn manche Zeilen über einem knochentrockenen Old-School-Beat auf Mussolini oder Hitler enden.
Ganz anders verhält es sich mit Cappadonna. Große Politik ist dem zehnten der Wu Tang Clan-Brüder ganz egal, statt dessen entwirft er ganz in der Tradition des Clans eine multiple Persönlichkeit aus Shaolin, Islam, Ninja-Mythologie und komplettem Quatsch. Wenn man den Raekwon-Kumpan mit dem Rest der Bunch vergleichen will, ist Cappadonna vielleicht der eleganteste unter den Reimschmieden. Aber das ist bei den Wu-Tang-Ventures nebensächlich geworden. Im Mittelpunkt stehen wieder mal die Samples von RZA, der sich auch bei The Pillage zu unerhörter Kunstfertigkeit aufschwingt, ohne diese aber, wie seine Konkurrenten penetrant auszustellen. Da Cappadonna als zuverlässig gilt, bleibt zu hoffen, daß er, anders als seine Brüder von Sunz Of Man am letzten Samstag, tatsächlich den Weg in die Fabrik finden wird.
Als Reimprofi versteht sich auch Xzibit. Auf seinem im August erschienenen Album Forty Days & Forty Nights schmeißt sich der Rapper mit der schmucken Wurstfrisur ganz unverhohlen an Pophörer mit Funkster-Affinität heran. „Paparazzi“ eben. Gerade im Vergleich mit RZA gut abgehangene Samples laufen hier unter ganz versierten Reimen, die allerdings in betont, um nicht zu sagen: gewollt, aggressivem Tonfall von den harten Zeiten in L.A. erzählen. Xzibit nennt das „Pussy Pop“. Wir würden das nicht tun. Aber derartiges hat man schon um einiges besser gehört. So, 6. September, 21 Uhr, Fabrik
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