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Taktische Sparmanöver

Die Bundeswehr muß Geld sparen. Volker Rühe sieht die Einsatzfähigkeit seiner Untergebenen gefährdet. Der Verteidigungsminister antwortet seinen Parteikollegen mit verbalen Drohgebärden.

Erst kam der Bundeswehr das Feindbild abhanden, jetzt fehlt ihr das Geld. Bis zu 2,4 Milliarden Mark kann der Finanzminister nach einem Beschluß des Bundestages aus dem Etat der Streitkräfte für das Jahr 1994 noch kürzen. Prompt jammerte Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU), seiner Truppe drohe ein „innerer Kollaps“. Als seine Drohung keine Wirkung zeigte, griff der verärgerte Minister zu härteren Mitteln: Sollte der Verteidigungshaushalt von 48,6 Milliarden Mark zu stark schrumpfen, müsse die Bundeswehr umstrukturiert werden. Offen droht Rühe mit einer Diskussion, die das Verteidigungsministerium bislang tunlichst vermieden hat. Es geht um die Entscheidung, ob die seit 1956 geltende allgemeine Wehrpflicht in den kommenden Jahren aufgehoben wird. Mehr als 150.000 Grundwehrdienstleistende gingen nach Hause, ganze Jahrgänge junger Männer könnten aufatmen.

Die vor wenigen Jahren noch 500.000 Mann starke Bundeswehr muß abspecken. In den Verhandlungen zur deutschen Einheit wurde vereinbart, daß bis 1995 die Obergrenze bei 370.000 Soldaten liegt. Gegenwärtig sind noch mindestens 10.000 Mann zuviel unter Waffen, 50.000 sind alleine in diesem Jahr entlassen worden. Längst werden nicht mehr alle tauglichen jungen Männer eingezogen. Von den gegenwärtig 380.000 Soldaten sind nur noch 156.000 Grundwehrdienstleistende (41 Prozent). Wird die Mannschaftsstärke weiter reduziert, leidet die Wehrgerechtigkeit: Grundwehrdienstleistende fragen sich, warum ausgerechnet sie dienen müssen, während immer mehr Gleichaltrige ihre Freiheit genießen.

Vorschläge zur Zukunft der Bundeswehr liegen auf dem Tisch. Befürworter einer Freiwilligen- Armee sind in allen großen Parteien auf dem Vormarsch. Selbst Bundespräsident von Weizsäcker empfahl im Oktober auf der 34. Kommandeurtagung der Bundeswehr, über eine allgemeine Dienstpflicht „als Ergänzung zur Wehrpflicht“ nachzudenken und sprach dabei von einer „gerechten Einbeziehung der Frauen“.

– Auf Halbierung der Grundwehrdienstzeit auf sechs Monate plädierte der CSU-Abgeordnete Christian Schmidt Anfang Dezember.

— Die Wehrpflicht ersetzen „durch eine allgemeine Dienstpflicht für Männer“ will der CDU- Abgeordnete Otto Hauser, in dessen Partei die Gegner einer „GmbH für Verteidigung“ (so der CDU-Wehrexperte Jürgen Augustinowitz) in der Mehrheit sind.

– Bundestagsvizepräsidentin Renate Schmidt (SPD) erklärte, die Wehrpflicht sei verzichtbar. Die Sozialdemokraten treten seit längerem für eine Bundeswehrstärke von 300.000 Mann ein.

– Die Mannschaftsstärke innerhalb von fünf Jahren auf 250.000 Mann reduzieren will der FDP- Abgeordnete Jürgen Koppelin, der die Umwandlung zur Freiwilligenarmee für unumgänglich hält und sich darüber hinaus für ein soziales Pflichtjahr für Männer und Frauen aussprach.

Auch unter Bundeswehroffizieren gibt es Gegner der Wehrpflicht. Professionelle Soldaten, so rechnen sich manche Kommandierende aus, sind in der Regel besser ausgebildet und lassen sich auch dort leichter einsetzen, wo Wehrpflichtige Bedenken haben – etwa bei Operationen im Ausland. Das aber stört auch Bundeswehr-Kritiker an einer Berufsarmee: Eine kleine, verschworene Gruppe von gutausgebildeten und mit allen High-Tech-Waffen ausgerüstete Truppe ist von der Politik schwerer zu kontrollieren als eine zum großen Teil aus Wehrpflichtigen zusammengesetzte Armee.

Ohne Wehrpflicht wäre auch der Zivildienst nicht mehr haltbar. In Krankenhäusern und Altenheimen, in Sozialstationen und Behindertenwohngruppen bräche ohne die rund 140.000 miserabel bezahlten Zivis der Notstand aus.

Als Mittel gegen den Kollaps des Sozialsystems und die Wehrungerechtigkeit ist eine allgemeine Dienstpflicht im Gespräch: Wer nicht zum Bund eingezogen wird, muß bei der Feuerwehr, bei der Polizei, in ökologischen Projekten oder im Sozialbereich Dienst tun. Eine solche Lösung läßt nach Meinung vieler Juristen das Grundgesetz nicht zu. Allenfalls könnte die Wehrpflicht für Männer durch eine Wahlmöglichkeit zwischen Militär- und Sozialdienst ergänzt werden. Daß Rühe die Debatte um die Wehrpflicht im Wahljahr 1994 tatsächlich will, ist unwahrscheinlich. Seine Hamburger Drohung dient vielmehr als Druckmittel im Kampf um den Wehretat.

Prompt erklärte der Generalinspekteur der Bundeswehr, Klaus Naumann, denn auch gestern, Rühe sei „mißverstanden worden“. Daß die Bundeswehr auf 350.000 Mann reduziert werde, habe der Verteidigungsminister „nicht definitiv gesagt“. Hans Monath

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