: Taiwan ist ein Staat
betr.: „Die Taiwaner werden immer nervöser“, taz vom 6. 8. 99
Separatistische Äußerungen? Schade, dass selbst in der taz die Propagandadiktion eines aggressiven Regimes übernommen wird. Separatismus? Davon kann man ja wohl allenfalls sprechen, wenn sich eine Region aus einem bestehenden Staatsverband lösen will. Ein solcher besteht im Falle Chinas und Taiwans schon seit rund hundert Jahren nicht mehr.
1895 hatte das kaiserliche China nach einem verlorenen Krieg Taiwan auf ewig an Japan abgetreten. Von 1945 bis 1948 folgte ein kurzes Intermezzo, in dem die Alliierten Taiwan nominell der Republik China der Kuomintang zurückgaben, die damals Festland-China regierte. Nach dem von der Kuomintang verlorenen Bürgerkrieg war Taiwan wieder vom Festland getrennt und bildet seitdem ein eigenes Staatswesen. Das kurze Zwischenspiel nach dem Krieg trug überdies keineswegs zu einer Wiederannäherung bei, sondern im Gegenteil zu noch stärkerer Entfremdung. Die nach dem Krieg desorganisierte und bis auf die Knochen korrupte Kuomintang machte sich nach der Übernahme Taiwans durch Misswirtschaft und Diskriminierung der einheimischen Bevölkerung derart unbeliebt, dass sich der Unmut am 28. Februar 1947 in einem inselweiten Aufstand entlud. Zehn Tage später folgte die Niederschlagung des Aufstands, der ein großer Teil der damaligen taiwanesischen Elite – schätzungsweise über zehntausend Menschen – zum Opfer fiel. Niemand, weder in Peking, Washington oder irgendwo sonst, sollte sich anmaßen, über Taiwans Zukunft zu entscheiden. Dies ist eine Frage, die nur die Taiwanesen selbst auf demokratische Weise zu beantworten haben. Sie haben es nicht verdient, durch die Ein-China-Politik derart international diskriminiert zu werden – eine Politik, die Taiwan in der Konsequenz dem Machtanspruch eines aggressiven Regimes ausliefert. Taiwan ist ein Staat. An diesem Faktum kommt niemand vorbei. Nur dies wollte Taiwans Präsident verdeutlichen. Separatismus? Realismus! Günter Whittome, Hamburg
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