Tach auch: Puhhh! Schicksal!
■ Die neue kleine sowie erbauliche Montagskolumne der taz / 29. Versuch
Man ist ja nie zufrieden. Ich zum Beispiel wäre lieber Bahnmanager. Ich hätte eine Gratis-Jahresnetzkarte, was meiner festen Überzeugung nach schöner ist als guter Sex. Ich würde mit der Concorde nach Peking jetten, um mit süßsauren chinesischen Bahnmanagern über die Lieferung einer Magneteisenbahn in 2050 zu plaudern. Ich könnte morgens im Deutschlandfunk und abends bei Bio oder in Rio die immer klaffendere Lücke zwischen Umsatz und Gewinn geißeln. Andererseits: Wenn ich Bahnmanager wäre und morgens in meinem Büro säße, und plötzlich hörte ich im Radio, daß in der Nacht schon wieder ein ICE aus den Gleisen gehüpft ist, würde ich aufgewühlt aufspringen und, ohne mich ums Renommee zu scheren, Scheiße, Scheiße, Scheiße schreien. Und würde in etwa dies denken: Hach, wäre ich doch freier Mitarbeiter einer sehr kleinen Tageszeitung.
Das Schicksal kann es einem eben nie recht machen. Doch will es einem das Schicksal eigentlich recht machen? Und: Wie windet sich das Schicksal aus der Zwickmühle, wenn meine Nachtigall meines Bekannten Uhl ist? Neulich betrat mein Bekannter, Herr A., zusammen mit einer Dame das Wirtshaus B. Dort traf er auf mich und und die Dame C. In der obligatorischen Vorstellungsrunde versagte ich grottengrauengräßlich. Ich hatte nämlich den Namen von Herrn A. vergessen. Ich stotterte, verhaspelte mich und redete mich um Kopf und Kragen. Mitfühlende Mädels, gutherzige Jungs: Ihr wißt, was eine peinliche Situation ist. Diese war hochnotpeinlich. Doch was sagte Herr A.? Entschuldige, lieber Freund, daß ich euch nicht anständig vorgestellt habe, aber mir ist letzte Nacht die Wohnung abgebrannt.
Ahnt jemand, wie erleichtert ich war? Puhhh! Aber jetzt darauf zu spekulieren, daß mich das Schicksal vor peinlichen Situationen bewahrt, indem es eventuell vorsorglich meiner Gesprächspartner Wohnungen angezündet hat – das ginge nun doch zu weit.
Burkhard Straßmann
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