TV im Netz: iTunes in der Defensive
Seit zwei Jahren bietet iTunes legale TV-Downloads an. Doch der Vertrieb gerät ins Stocken, bevor er richtig nach Europa schwappt. Die US-TV-Konzerne schwenken um aufs Streaming.
BERLIN taz Vor nicht ganz zwei Jahren begann der Computer- und Unterhaltungselektronikhersteller Apple damit, das US-Fernsehgeschäft zu revolutionieren. Das hört sich vielleicht großspurig an, entspricht aber durchaus den Tatsachen: Bis zu jenem Zeitpunkt war es noch niemandem erfolgreich gelungen, einzelne Episoden aktueller TV-Sendungen, die es sonst kostenlos in der amerikanischen Flimmerkiste zu sehen gab, auch im Internet abzusetzen.
Zwei unabhängige Anbieter verkaufen Gutscheincodes, mit denen man auch als Nicht-Amerikaner bei iTunes USA einkaufen kann: Hogeweg 80 (hogeweg80.com) und iTunesFairy (itunesfairy.com). Beide Angebote machen einen nicht sehr professionellen Eindruck, funktionierten im taz.de-Test aber problemlos. Der Verkauf erfolgt über PayPal und kann gegebenenfalls rückabgewickelt werden. Voraussetzung ist, dass man ganz unten bei iTunes den US-Shop anwählt, um die Angebote überhaupt sehen zu können.
Damals dachten die Internet-kundigen Teile der Film- und TV-Branche noch, dass damit nun alles gut würde - insbesondere auch, nachdem Apple etwas später zusätzlich damit begonnen hatte, Kinofilme in seinem Online-Laden iTunes Store zu verkaufen.
So verhasst die Steve Jobs bei den Medienkonzernen aufgrund seiner marktbeherrschenden Stellung auch ist - sie war die erste, die zeigte, dass Online-Kunden tatsächlich bereit waren, für Unterhaltungsinhalte im Netz Geld zu bezahlen. Was im Musikbereich gelang, sollte nun auch im Videobereich funktionieren - befördert durch Apples geradezu legendäre Kompetenz für einfach zu bedienende Software. (Die paar Millionen iPods, auf denen die verkauften Inhalte liefen, waren ebenfalls hilfreich.)
Zwei Jahre später, im Hier und Jetzt. Das Vorhaben hat im amerikanischen Markt tatsächlich funktioniert. Menschen, die einst DVD-Boxen mit US-Serien bei Wal Mart kauften, laden sich einzelne Folgen millionenfach für knapp 2 Dollar bei iTunes aus dem Netz - und das trotz großen Konkurrenzangeboten durch Raubkopierer, die populäre TV-Shows noch am Abend der Erstsendung ungeschützt in Tauschbörsen wie Bittorrent einstellen. Mittlerweile fehlen nur noch wenige Inhalteanbieter im Apple-Laden - nahezu alle großen und kleineren "Networks" sind mit mehr oder weniger reichhaltigen Angeboten vertreten.
Der Absatz ist mittlerweile so groß, dass sich Serienkarrieren online entscheiden können - so wurde die NBC-Show "The Office" (deutsche Kopie: "Stromberg") vor allem deshalb weiter verlängert, weil sie sich im Netz so gut verkaufte. Erste TV-Produzenten denken darüber nach, sich ihre Produktion nicht mehr durch den Verkauf von Werbezeiten, sondern direkt durch die Nutzerschaft zu finanzieren.
Und dennoch ist der glänzende iTunes-Zug ins Stocken geraten. Ein schneller Export des Geschäftsmodell etwa nach Europa steht immer noch aus - denn die Medienkonzerne mauern offenbar. Einzig in Großbritannien werden seit August erste Serien verkauft, allerdings zu höheren Preisen als in den USA. Wer in Deutschland an den US-Inhalten interessiert ist, kann sie nur mit viel Aufwand erwerben. Denn Apple macht eine amerikanische Kreditkarte zwingend notwendig, nur wenige unabhängige Händler verkaufen unter der virtuellen Ladentheke Gutscheincodes, mit der man auch als Europäer in den USA legale Inhalte einkaufen kann (siehe Kasten).
Die Filmstudios, Fernsehsender und TV-Produzenten sind vorsichtig geworden, was Apples Marktstellung anbelangt. Ende August wurde bekannt, dass der US-Sender NBC, der zu den erfolgreichsten Serienverkäufern bei iTunes gehört, seinen Vertrag nicht verlängern will. Apple und NBC bekriegen sich nun öffentlich: Apple sagt, NBC wolle die Preise um das Doppelte erhöhen, während NBC sich in seiner Vermarktungsfreiheit eingeschränkt sieht.
Währenddessen versuchen immer mehr US-Sender, ihre populären TV-Shows kostenlos über eigene Portale ins Netz zu stellen - als unbequemes Streaming, für das man ständig online sein muss. Auch die Werbeblöcke, wie man sie im Internet nicht kannte, sind wieder da. Trotzdem schauen Europäer wieder in die Röhre: Wer mit einer Nicht-US-Adresse surft, wird abgeblockt.
Noch muss sich Hollywood wenig Sorgen um das lohnende TV-Geschäft machen. Zwar leiden auch US-Sender unter Werbezeitenschwund, doch der hocherfolgreiche Verkauf von DVDs hat den Inhalteproduzenten ein zusätzliches, profitables Standbein verschafft. Das Problem: Wer beim Herunterladen von Videoinhalten einmal Blut geleckt hat, will zum unbequemen "Echtmedium" DVD nicht mehr zurück. Was die Musikindustrie mit MP3-Downloads erleben musste, droht den Filmstudios dank Breitband nun auch massenhaft bei Videos. Und dennoch gibt es noch immer keine weltweit verfügbare, gut bedienbare Plattform, die die Nutzer nicht mit zu vielen Kopierschutzmaßnahmen gängelt.
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