: TV-Teams setzen Skinheads ins Bild
■ Zum dritten Mal binnen weniger Wochen soll ein Fernsehteam Skinheads zu rechtsradikalen Aktionen vor der Kamera animiert haben/ Staatsanwaltschaft ermittelt bisher nur gegen die Skinheads
Berlin. Der Staatsschutz hat es offensichtlich nicht besonders eilig, das japanische Fernsehteam ausfindig zu machen, das am vergangenen Wochenende am Bahnhof Lichtenberg einer Skinhead-Gruppe Geld dafür gezahlt haben soll, daß diese vor der Kamera »Sieg Heil« ruft. Nach Beobachtungen eines Bundesgrenzschutzbeamten hatte eine Dolmetscherin für das Kamerateam des Tokio Broadcasting System (TBS) dem Anführer der Skinheads 300 Mark ausgehändigt. Der Staatsschutz hat inzwischen ein Ermittlungsverfahren gegen die Skinheads wegen Verwendens von verfassungsfeindlichen Symbolen eingeleitet. Gegen das Kamerateam werde man erst vorgehen, wenn sich der Verdacht der Anstiftung durch die Zeugenvernehmung erhärte, sagte der Staatsschutzbeamte Mücke gestern auf Anfrage. Die Anschrift des Teams habe bislang nicht ermittelt werden können.
Der Fall ist bereits der dritte seiner Art. Am 14. November wies der Marzahner Bezirksbürgermeister Andreas Röhl die Staatsanwaltschaft in einer Strafanzeige darauf hin, daß die Fersehsender RIAS TV und RTLplus am 19. Oktober unabhängig voneinander Skinhead-Gruppen in Marzahn mit Geld beziehungsweise alkoholischen Getränken zur Randale vor Ausländerwohnheimen animiert hätten. Nach den Dreharbeiten von RIAS TV hatten mehrere Skinheads die Scheiben eines Wohnheims eingeworfen und ausländerfeindliche Parolen gebrüllt.
Während RIAS TV den Film nie ausstrahlte, hat RTLplus seine Aufnahmen am 22. Oktober sehr wohl gezeigt. Bisherigen Ermittlungen zufolge hatte das RTLplus-Team die Skinheads zunächst in einer privaten Wohnung getroffen und war danach mit ihnen zu einem Wohnheim gefahren, vor dem die Gruppe Naziparolen gerufen haben soll.
Nach Angaben von Justizsprecherin Uta Fölster sind bei der Staatsanwaltschaft bislang nur zwei Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Verdachts der Sachbeschädigung und Verwendens von verfassungsfeindlichen Symbolen anhängig. Bisher habe noch keiner der Skinheads namhaft gemacht werden können. Gegen RIAS TV und RTL plus würde nur dann ein Verfahren eröffnet, wenn die Vernehmungen der »Unbekannten« einen Anfangsverdacht wegen Anstiftung ergäben.
Auf die Frage, ob wenigstens die Filme ausgewertet seien, verwies Fölster darauf, daß die Staatsanwaltschaft bislang lediglich über eine der beiden Aufzeichnungen verfüge. Der Sachbearbeiter sei aber sehr darum bemüht, alle Beweismittel zu sichern. Nach Informationen der taz sind die Skinheads gar nicht so unbekannt: Der Marzahner Bezirksbügermeister Röhl hat sich unlängst mit einigen der Gruppe zu einem Gespräch getroffen. plu
Siehe auch Kommentar auf Seite 21
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