■ TV-Fälscher Michael Born zu vier Jahren verurteilt: Nichts begriffen
Fernsehen in Deutschland ist immer noch eine bierernste Angelegenheit und für viele Menschen, die ihre Glotze mit gestickten Deckchen zum Altar ummodeln, Religions-, ja mindestens Glaubensersatz: Wenn Thomas Gottschalk zum Spenden aufruft, dann fließen Millionen auf dubiose Konten, und wenn Eduard Zimmermann vor der Russenmafia warnt, dann kaufen am nächsten Tag etliche Zuschauer einbruchsichere Rolläden und wählen beim nächsten Mal CDU. Michael Borns Vergehen war pure Blasphemie – nicht, weil er fälschte, sondern weil er sich erwischen ließ und so den Menschen (wenn auch unbeabsichtigt) vor Augen führte, daß Authentizität im Fernsehen eine Fiktion ist.
Es dürfte Born auch nicht gerade geholfen haben, daß ihn Sympathisanten zum begnadeten Satiriker hochstilisierten, denn auch für so etwas ist man hierzulande blind. Das war bei Dietmar Schönherr und Vivi Bach so, das ist auch 20 Jahre später nicht anders.
Michael Born hat eine Handvoll Redakteure betrogen. Pech für ihn, daß die mit seinem Murks Millionen von Zuschauern foppten. Aber das kommt vor. Und daran wird auch das Urteil wenig ändern. Im Gegenteil. Es bremst einen begonnenen Prozeß der Entmystifizierung, der seit Jahren nur mühsam in Gang kommt. Nun steht zu befürchten, daß die gesunden Zweifel am Medium Fernsehen zusammen mit Born von der Bildfläche verschwinden, zumal sich die Richter ihr Urteil mühsam aus Begleitdelikten wie Fahren ohne Führerschein oder Urkundenfälschungen zusammenstückeln mußten.
Die wahren Täter in den Sendeanstalten können sich indes zurücklehnen – ihr Schuld-Outsourcing hat sich bestens bewährt: Bestraft wurde der Kleindealer und nicht die Paten. Doch solange es keine Regelungen gibt, die den Zuschauern signalisieren, welche Bilder aus dem Archiv und welche inszeniert sind, sind solche Urteile Makulatur.
Oder aber die zuständigen Behörden machen sich jetzt konsequenterweise auf die Suche nach dem betrügerischen Buntstiftlutscher von „Wetten, daß...?“, der seinerzeit ein argloses, amüsierwilliges Millionenpublikum zum Narren hielt. Oder sollte „Wetten, daß...?“ eher Show als „Stern TV“ sein? Wer das allen Ernstes behauptet, hat vom Fernsehen rein gar nichts begriffen. Oliver Gehrs
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