TSG Hoffenheim gegen Energie Cottbus: Schmuckloser Debütantenball
Mittelmäßig spielen, aber trotzdem gewinnen. Mit dem 2:0-Erfolg über Energie Cottbus verteidigte Hoffenheim bei seinem ersten Pflichtspiel in der Rhein-Neckar-Arena die Tabellenspitze.
1899 Hoffenheim: Hildebrand (60. Haas) - Beck, Jaissle, Compper, Ibertsberger - Luiz Gustavo - Weis, Salihovic - Teber (80. Vorsah) - Sanogo (88. Terrazzino), Ba
Energie Cottbus: Tremmel - Radeljic, Cagdas Atan, Cvitanovic, Ziebig - Rost, Angelow - Sørensen (84. Iliev), Skela (69. Rangelow), Rajnoch - Jula
Schiedsrichter: Gräfe (Berlin) - Zuschauer: 30 150 (ausverkauft)
Tore: 1:0 Ba (28.), 2:0 Sanogo (63.)
Gelbe Karten: Sanogo (1), Teber (4), Luiz Gustavo (8), Weis (1) / Tremmel (3), Jula (2)
Beste Spieler: Teber, Ba / Rajnoch
Wie oft Mike Diehl, der Stadionsprecher der TSG 1899 Hoffenheim, das Wort "historisch" während des ersten Pflichtspielauftritts des Herbstmeisters im neuen Sinsheimer Fußballkästchen gebraucht hat? Selbst die eifrigsten Chronisten gaben das Zählen irgendwann auf. Erster Treffer von Demba Ba im neuen Stadion, erster Treffer des Neuzugangs Boubacar Sanogo bei seinem Debüt im neuen Stadion, erster Sieg im neuen Stadion und, und, und. Der Herbstmeister gewann übrigens 2:0 gegen den Abstiegskandidaten Energie Cottbus.
Für die Annalen ist also gesichert: Hoffenheim ist auch nach Spieltag 18 Tabellenführer. Noch Mitte der Woche schien die Bundesliga-Rückrunde ja so vorhersehbar zu verlaufen wie die 2.867. Wiederholung des TV-Sketches "Dinner for one". Jedenfalls glaubten viele nach der guten Vorbereitung der Bayern, deren 5:1-Sieg im Pokal in Stuttgart und angesichts der Probleme der Konkurrenz an einen Durchmarsch des Rekordmeisters. Womöglich auch die Bayern selbst. Nach diesem Wochenende ist das etwas anders. Die Bayern haben in Hamburg verloren, und vor allem gewannen die Hoffenheimer durch den zähen Sieg gegen Cottbus wieder Selbstvertrauen. Ralf Rangnick jedenfalls zeigte sich "sehr zufrieden".
Zu viele Fragezeichen hatten den Trainer vor der Partie im Zweifel gelassen, ob denn auch alles gut gehen würde. "Es war klar, dass wir keinen Zauberfußball bieten", meinte Rangnick angesichts der Hiobsbotschaften in den letzten Wochen. Mit Vedad Ibisevic (Kreuzbandriss), Chinedu Obasi (Muskelfaseriss) und Carlos Eduardo (gesperrt) fehlten gegen Cottbus drei prägende Offensivkräfte. "Verunsicherung war deshalb schon zu spüren", gab Manager Jan Schindelmeiser zu. Aber nach 93 unspektakulären Normalofußballminuten haben die Hoffenheimer wieder Zuversicht gewonnen.
Dem Anfang im neuen Stadion wohnte zwar kein Zauber inne, doch die Botschaft an die Konkurrenz lautete: Wir können auch schwach spielen und trotzdem gewinnen. Aufgrund der Ausfälle musste Rangnick sein erfolgreiches System von 4-3-3 auf 4-4-2 umstellen. Neben Demba Ba, der in der 28. Minute das 1:0 erzielte, machte Boubacar Sanogo das, was er immer in seinem ersten Spiel für einen neuen Klub macht: Er schoss ein Tor. Nach 63 Minuten tankte sich der Ivorer nach Vorlage Bas durch.
Vor dem Spiel hatte Rangnick Sanogo noch DVDs mit Toren aus dessen erfolgreicheren Tagen bei Werder Bremen gezeigt. "Das tat gut", gab der sensible Sanogo zu, der zuletzt in Bremen nicht mehr oft eingesetzt wurde.
Die katastrophalen Platzverhältnisse und die zwei groß gewachsenen Angreifer zwangen Rangnick, ungeliebten Brechstangenfußball als taktisches Mittel auszurufen. Und weil die Mittelfeldspieler Weis und Salihovic von ihrer Vorrundenform weit entfernt waren, erwies sich die Lufthoheit Sanogos und Bas als durchschlagendes Erfolgsrezept. "Jetzt verstehe ich, warum diese Mannschaft vorne steht. Die rennen 90 Minuten nonstop", resümierte Sanogo. Er selbst sei nach 75 Minuten am Ende seiner Kräfte gewesen. Müde, aber glücklich genoss er den Applaus bei seinem Abgang.
Auch für Timo Hildebrand gab es Applaus beim Verlassen des Rasens. Glücklich war der aus Valencia gekommene Torwart bei seinem Debüt deswegen aber nicht. Nach einer Stunde musste er ausgewechselt werden. Eine Schambeinprellung verursachte Schmerzen, wie lange er ausfallen wird, ist ungewiss. Cottbus Kapitän Timo Rost war in Hildebrand hineingerutscht, nachdem er den Ball nach einer verunglückten Rückgabe von Marvin Compper an die Latte bugsiert hatte (50.).
Die Cottbuser waren da dem Ausgleich nah. Eine Mannschaft mit etwas mehr Mut hätte an diesem Tag dem wenig souverän agierenden Spitzenreiter durchaus die erste Heimniederlage beibringen können. Aber die Cottbuser freuten sich ja schon, besser gespielt zu haben als zuletzt beim Pokal-Aus in Leverkusen. Historisch gesehen war der FC Energie Cottbus für die TSG 1899 Hoffenheim genau der richtige Gegner zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!