TROTZ WAHLKAMPF – KEINE HOFFNUNG FÜR TODESKANDIDATEN IN TEXAS: Gnadenloses Prinzip
Wer geglaubt hatte, der Dauerauftritt des texanischen Gouverneurs Bush auf der nationalen Wahlkampfbühne sowie die erhöhte Aufmerksamkeit, die dadurch der texanischen Hinrichtungsmaschine zuteil geworden ist, könnte ein Hoffnungsschimmer für die auf ihre Hinrichtung wartenden Todeskandidaten sein, hat sich getäuscht. In Texas sind gestern gleich zwei Verbrecher hingerichtet worden. Anders als vor Wochen die Hinrichtung Gary Grahams erregte der Tod von Brian Keith Roberson und Oliver David Cruz kaum Aufsehen. Ihr Tod gehört inzwischen zur Routine des texanischen Strafvollzugs, dem seit Bushs Amtsantritt als Gouverneur 130 Menschen zum Opfer fielen.
Bis zur Präsidentenwahl im November stehen noch acht Exekutionen auf dem Terminplan Bushs, und es ist nicht abzusehen, dass auch nur einer dieser Fälle die Diskussion um die Todesstrafe erneut anfachen wird oder dass Bush bereit sein wird, einen Hinrichtungsaufschub zu gewähren. Je unbedeutender ein Fall ist – gemessen am öffentlichen Aufsehen –, umso größer könnte eigentlich die Chance sein, dass Bush die Todesmaschinerie von Texas bremst. Je größer andererseits das öffentliche Interesse für einen Fall ist, desto weniger ist Bush geneigt, von seinem durch die texanische Verfassung ohnehin stark eingeschränkten Gnadenrecht Gebrauch zu machen.
George W. Bush will im Wahlkampf demonstrieren, dass er prinzipienfest ist. Er will weder als jemand dastehen, der sich dem Druck beugt, noch als jemand, der Stimmungsschwankungen nachgibt. An der Art und Weise, wie Bush an Todesstrafen herangeht, ist die Todesstrafendiskussion, wie sie in den amerikanischen Medien geführt wird, nicht unschuldig. Im Fall Gary Graham richtete sich jetzt die Aufmerksamkeit darauf, wie Bush sich bei der Vollstreckung von Todesstrafen aufführen würde, ob er die dem Thema angemessene „Gravitas“ mitbringt. Bush hat in letzter Zeit mehrfach zum Thema Todesstrafe Stellung bezogen und dabei den Eindruck zu erwecken versucht, dass er Gegner der Todesstrafe und ihre Argumente ernst nimmt und dass er niemanden leichtfertig hinrichten lässt. Er hat sogar in einem Fall die Todesstrafe ausgesetzt, um nachträglich einen DNA-Test durchführen zu lassen – der dann allerdings gegen den Verurteilten entschied.
Die Todesstrafendiskussion ist in Bushs Wahlkampf zu einer Imagekampagne verkommen. Umso schandbarer ist die Hinrichtung des geistig zurückgebliebenen Oliver Cruz. Bush hätte es wenig gekostet, in diesem Fall die Hinrichtung aufzuschieben – und der Diskussion der Frage, ob geistig behinderte Menschen hingerichtet werden dürfen, neuen Raum zu geben. PETER TAUTFEST
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