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TROTZ SPENDENAFFÄRE: CDU EHRT KOHL AUSGERECHNET IN LEUNANicht bizarr, sondern instinktsicher

Viele Leute in der Gegend von Leuna sind Helmut Kohl zu Recht dankbar. Schließlich hat er der Region vor zehn Jahren nicht nur Hilfe versprochen, sondern er hat dieses Versprechen auch eingelöst – Anlass für die CDU von Sachsen-Anhalt, den ehemaligen Kanzler zu ehren. Die näheren Umstände von dessen Hilfe beschäftigen allerdings inzwischen einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, und sie sollten endlich auch die Staatsanwaltschaft beschäftigen. Was muss eigentlich noch alles herauskommen, bis Kohl endlich vor Gericht gestellt wird?

Jeder Beschuldigte hat bis zu einem Urteil als unschuldig zu gelten. Kohl ist aber nicht einmal ein Beschuldigter, obwohl es viele Indizien für Schmiergeldzahlungen gibt. Manager von Elf Aquitaine haben ausgesagt, seinerzeit viel Geld für „Lobby-Arbeit“ in Deutschland ausgegeben zu haben. Kohl selbst mag inzwischen nicht mehr ausschließen, Führungskräfte des Konzerns doch persönlich zu kennen. Nur Bestechlichkeit schließt er nach wie vor aus. Falls sich das eines Tages ändert: Wird es dann zu einer Verhandlung kommen? Oder wird auch dieses Verfahren mangels „öffentlichen Interesses“ eingestellt? Eine solche Begründung wäre das Ende des Postulats der Gleichheit aller vor dem Gesetz. Falsch wäre sie nicht.

Die Umfragewerte der CDU, der relative Gleichmut gegenüber dem Millionenfund des ehemaligen CDU-Schatzmeisters Walther Leisler Kiep, die gestrige Feier: all das beweist, dass die an schnelle Reize gewöhnte Öffentlichkeit tatsächlich das Interesse verloren hat. Zu kompliziert sind die Einzelheiten, zu unbequem die mögliche Erkenntnis, dass Deutschland eine Bananenrepublik gewesen sein könnte. Die CDU-Veranstaltung mit Helmut Kohl als Ehrengast mag manchen bizarr erscheinen. Das war sie nicht. Sie war instinktsicher. Wieder einmal hat Kohl ein Problem lange genug ausgesessen, um sich schließlich als Sieger präsentieren zu können. Diesen Erfolg sollte man allerdings nicht ihm zum Vorwurf machen. Sondern der politischen Klasse, der Justiz, den Medien und der Öffentlichkeit. Also uns allen. BETTINA GAUS

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