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TROTZ DER MASSENPROTESTE IN MANILA: UMSTURZ UNWAHRSCHEINLICHIrreführende Vergleiche

Der philippinische Senat hat ganz knapp – mit 11 zu 10 Stimmen – wichtiges Belastungsmaterial gegen Präsident Joseph Estrada nicht zugelassen. Damit scheint das Amtsenthebungsverfahren vorzeitig entschieden, Estradas Freispruch beschlossen. Aus Protest versammelten sich tausende Demonstranten vor einer Kapelle in Manila. Denn an dieser Stelle initiierten Kirchenführer jenen friedlichen Volksaufstand („People Power“), der 1986 den Diktator Ferdinand Marcos stürzte. Die Opposition sehnt sich nach einem neuen Aufstand. Den wollen nicht nur die Demonstranten wiederbeleben, sondern auch die Initiatoren der Revolte von 1986 – die Expräsidenten Corazon Aquino und Fidel Ramos sowie Manilas Kardinal Jaime Sin.

Und in der Tat gibt es Parallelen zwischen dem Aufstand von damals und den Protesten von heute: 1986 waren es die Computerexperten der Wahlkommission, die ihre Ämter niederlegten, um gegen Wahlfälschungen von Marcos anzugehen, und die damit dem zivilen Ungehorsam einen Schub gaben. Vergleichbar traten jetzt die elf Ankläger des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zurück, um sich gegen die politische Manipulation durch Estrada nahe stehende Senatoren zu wehren. Doch trotz dieser Parallelen ist heute kein unmittelbarer Umsturz zu erwarten. Denn in Verklärung der damaligen Revolte wird oft übersehen, dass es nicht allein die Kraft des Volkes war, die Marcos stürzte – ebenso entscheidend war ein Putsch von Teilen des Militärs sowie eine US-Intervention hinter den Kulissen.

Heute wie damals sind die Massenproteste zu schwach, um den korrupten Präsidenten zu stürzen. Der Exfilmschauspieler Estrada wird immer noch von Teilen der Bevölkerung und einflussreichen Sekten unterstützt. Eine Spaltung im Militär ist nicht erkennbar, und die USA halten sich weit gehend zurück, auch wenn Oppositionsführerin Gloria Macapagal Arroyo mit Bill Clinton studierte.

Die politische und wirtschaftliche Krise auf den Philippinen spitzt sich zu. Trotzdem: Wenn Estrada nicht bald weitere Verbündete verliert, kann sich sein Sturz noch lange hinziehen. SVEN HANSEN

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