TRITTIN MUSS BEWEISEN, DASS ER DEN ATOMKONSENS ERNST MEINT: AKW Obrigheim: bitte ausschalten
Seit der Bundestagswahl herrscht Katerstimmung bei der Energie Baden-Württemberg (EnBW): Der erhoffte Ausstieg aus dem Atomausstieg ist um mindestens vier Jahre verschoben. Konsequenzen hat das derzeit nur für den Reaktor Obrigheim, der laut Atomkonsens in Kürze vom Netz muss.
Doch die EnBW beantragt längere Laufzeiten für Obrigheim und bietet zum Ausgleich an, Neckarwestheim früher abzuschalten. Hintergedanke: Neckarwestheim soll als letzter in Deutschland erst um 2021 aufgegeben werden – da kann man leicht ein paar Gigawattstunden auf Obrigheim überschreiben. In der Hoffnung freilich, dass der Atomkonsens ohnehin die zwei Jahrzehnte nicht überdauert und die Umschichtung Neckarwestheim gar nicht mehr trifft.
Für Umweltminister Jürgen Trittin wird der EnBW-Antrag zur Gretchenfrage. Zumal Obrigheim nicht irgendein Reaktor ist. Er ist mit seinen 34 Betriebsjahren nicht nur der älteste der Republik, sondern mit 357 Megawatt auch der kleinste. Er ist skandalträchtig, weil er anders gebaut wurde als genehmigt. Wenn es nicht gelingt, diese Anlage zügig vom Netz zu nehmen, wie soll es dann erst bei den großen Gigawattblöcken werden?
Obrigheim ist zum Symbolreaktor geworden. Zumal auch bisher an keinem anderen Atomstandort so konkret über Nachfolgetechnologien diskutiert wurde: Längst hat das Mannheimer Energieunternehmen MVV Energie AG seine Sympathie bekundet, am Standort eine Solarfabrik zu bauen. Und die baden-württembergische SPD-Landtagsfraktion hat ein ambitioniertes Konzept für ein „dezentrales Energiezentrum“ mit vielfältiger Biomasse-Nutzung entwickelt. Schon schielen auch die Wirtschaftsförderer der Region auf Neuansiedlungen aus der Ökostrombranche.
In solchem Umfeld hat jeder Monat zusätzliche Laufzeit verheerende Signalwirkung. Trittin darf jetzt, wo Atomausstieg erstmals erlebbar wird, nicht einknicken. Auch für die erneuerbaren Energien wäre jede Verzögerung fatal – sie wäre das Eingeständnis, dass eine Energiewende im Lande nicht wirklich gewollt ist. BERNWARD JANZING
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