TRÄUME VON GRÜN-ROT: Die Dafür-Partei
Ihre Landesmitgliederversammlung nutzen die Grünen, um sich endlich mal selbst zu loben, den Koalitionsvertrag zu bejubeln - und die Distanz zum neuen alten Partner zu markieren.
Na bitte, geht doch. Wenigstens das Abgeordneten-Baby, das bei der Landesmitgliederversammlung der Grünen von Arm zu Arm gereicht wird, schüttelt energisch den Kopf, immer wieder. Es hat Spaß daran, juchzt und sabbert freudig und vergisst, dass die Zähnchen jucken. Aber sonst? Wie konnte jemand je darauf kommen, die Grünen wären eine Dagegen-Partei? Woraus speist sich die Einschätzung der Landesvorsitzenden Susan Ella-Mittrenga, "zu selten" würde man einander "gegenseitig loben"?
Nicht nur für ihre Rede ist das der Vorwand für ausführliches verbales Schulterklopfen. Und nicht nur sie streicht Balsam fingerdick auf Reinhard Loskes wunde Senatorenseele: Wenn er aufgestanden wäre, dann hätte der Beifall noch länger gedauert als anderthalb Minuten.
Die Landesmitgliederversammlung der Grünen im Brillissimo ist letzte formale Hürde für die gestrige Unterzeichnung des Koalitionsvertrags. Er geht durch, wie ein glühendes Messer durch Vanille-Eis. Und die Veranstaltung wirkt eher wie eine getränkarme After-Wahl-Sommerparty ohne Nudelsalat. Dabei fungieren die Reden als das leicht spröde Festprogramm, in dessen Rahmen sich die Neuzugänge in der Senatoren-Klasse, Joachim Lohse und Anja Stahmann, glücksbefangen vorstellen und teils freundlich-solidarisch begrüßt werden. Generalaussprache?
"Es haben sich nur drei Männer eingeworfen", moniert das Versammlungs-Präsidium mehrfach, normalerweise ist die RednerInnenliste quotiert. Aber Frauen melden sich halt meist nur, wenn's wirklich was zu sagen gibt.
Was den Männern einfällt… ach herr je: Ein Antragssteller findet, die Privatschulen kommen im Koalitionsvertrag zu gut weg. Ein anderer will den Ressortzuschnitt noch mal komplett neu verhandeln. Er hätte nämlich Anja Stahmann lieber als Bildungs-, statt als Sozialsenatorin gesehen. Immerhin kommt niemand auf die bizarre Idee, die City-Maut doch noch nachträglich reinzuschreiben ins gemeinsame Regier-Programm. Karo Linnert hatte schließlich zuvor gesprochen - und bekannt, sie sei "froh, dass wir diesen Pappkameraden gegen meinen ausdrücklichen Rat ins grüne Wahlprogramm geschrieben haben." Denn worüber sonst hätte die Presse während der Verhandlungen schreiben sollen? Deren Konfliktarmut sieht sie als Beweis dafür, "wie schnell sich die Sozialdemokraten grünen Politikstil einverleiben können". Ein Risiko? Vielleicht. Aber eher für die Genossen: "Ich freue mich darüber", so Linnert. Schließlich sei Grün vorne - und es gebe viele Bereiche, wo die anderen von ihnen noch lernen könnten.
Tatsächlich scheint das Hauptanliegen des politischen Führungspersonals, den Unterschied zwischen Fusion und Koalition zu verdeutlichen: Erst gibts das obligatorische CDU- und Linkspartei-Bashing - dass deren Fraktion den Parteiaustritt der Vorsitzenden ein Vierteljahr geheim gehalten hatte, sei "wie wenn man den toten Opa noch Monate hinter der Tür behält, um weiter seine Rente zu kassieren". Aber Güldner disst auch die SPD. "Wer sagt denn, dass wir nicht eines Tages in Bremen einen Grün-Roten Senat haben?", fragt er. Als er vor Jahren angekündigt habe, man könne die Union überholen, sei er noch verlacht worden. Auch die SPD sei für die Grünen nicht uneinholbar, so Güldner. "Wir sollten uns dieses Ziel setzen."
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