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TRAUMNACHRICHTEN

T R A U M N A C H R I C H T E N Moabit (MR) - In große Schwierigkeiten geriet letzte Nacht J., ein aufstrebender junger Fotograf: Die Grenze zwischen West- und Ost-Berlin ist jetzt vollkommen durchlässig geworden, eigentlich wird sie nur noch durch Schreibtische markiert, die quer auf der Straße stehen und unregelmäßig mit Beamten besetzt sind.

J. will hinüber und wird einer Kontrolle unterzogen, wie sie hin und wieder stattfindet. Gar nicht auf der östlichen, sondern auf der westlichen Seite: Ein Mädchen in Uniform, das J. sehr gefällt, fragt letzteren, ob er die Kamera - er strahlt das Mädchen an, sie strahlt zurück -, ob es an der Kamera diesen Mechanismus gebe, daß man durch das Objektiv von außen ins Innere und hindurchblicken kann, ob auch nichts darin verborgen sei?

Aber sicher gibt es diesen Mechanismus an der Kamera!, erklärt J. brummend vor Stolz. Man müsse eine Blende einerseits, dann eine bestimmte Belichtungszeit andererseits einstellen, dann den Auslöser drücken: so kann man durch seine Kamera hindurchsehen.

Er nimmt sie also in die Hand und beginnt die Vorführung. Aber er findet schon den Ring am Objektiv nicht, mit dem man die Blende einstellt. Ebenso steht es um die Belichtungszeit - das Problem ist irgendwie, daß man beides nur einstellen kann, wenn man die Kamera von vorn angeht; während J. immer nur von der Seite an ihr herumfingert.

„Das ist ja seltsam!“, erklärt er fassungslos. Jetzt hat er das Objektiv abgeschraubt; darunter ist ein geschlossener Metalldeckel. Das Mädchen, in das er noch immer verliebt ist, hat sich längst von ihm abgewandt. Sie steht am anderen Ende des Schreibtisches und greift nach dem Telefon: „Ich rufe jetzt die Polizei!“ J. ist wach.

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