: THEATRE IS SHIT
■ Confederacy of Fools presents: „The Wonderful, Wonderful Sexy World of Theatre“
Einen Lieblingsfeind, ein richtiges Haßobjekt gefunden zu haben, das alle, aber auch alle Fehler und abstoßende Seiten der menschlichen Seele in sich vereinigt, das macht nicht nur das Leben leichter, sondern eignet sich auch wunderbar, um als immer wiederkehrender „running gag“ der losen Folge von Sketchen die Struktur der Wiederkehr des immer Gleichen zu geben. Für Gunn & Bullit in „The Wonderful, Wonderful Sexy World of Theatre“ ist der Feind, gegen den sie anspielen, die Rateshow auf der Bühne, das Geld- und Preisrätsel, in dem die billige Publikumsbeteiligung für die öffentlichen Sado-Maso-Gelüste des Showmasters an der Familie Steffensen aus Quickborn ausgenutzt wird. So schlimm wie „Vier gegen Willi“ sind sonst nur noch die Musicals von Andre Lloyd Webber. (Hier meist im Theater des Westens, z.B. „Evita“.)
In ihrem neuen Stück präsentiert die Confederacy of Fools, Richard Blain und Tony Dunham, die Geschichte und Gegenwart des Theaters gestern und heute in einem rasant gespielten Jagdgalopp mit bestechend komischen und zwingend lächerlichen Sketchen. Laut Bullitt & Gunn beginnt die Historie des Theaters damit, daß der Steinzeitmensch aufgrund seiner beschränkten Sprachfähigkeit einfach ein zu geringes Vokubular hatte, um sich seinen Artgenossen, die schon Mitmenschen hießen, durch Worte verständlich zu machen. Also wurde die Mitteilung als Aktion dargestellt, und der Mensch begann Theater zu spielen. Weiter geht's durch die Stationen griechisches und römisches Theater, „die alte ägyptische Zivilisation überspringen wir, weil wir darüber nichts wissen“ und landen schnell im Mittelalter bei den kirchlichen Mysterienspielen und endlich bei Shakespeare, zu dem die beiden Engländer und studierten Theaterwissenschaftler natürlich ein besonders enges Verhältnis haben. Das erschöpft sich aber nicht in Verehrung oder Plagiat, sondern mündet in kleine versteckte Zitate, über die man sich freuen darf, die man aber ebensowenig entschlüsseln muß wie die Kernsätze der Theatertheorie.
Den Genuß der Aufführug macht das Moment der theatralischen Lust, das alle Hauptseminare verschweigen, aus: Die Lust am Spiel, am höheren Blödsinn, das atemberaubende Tempo der Sketche und die Intimität des eingespielten Duos, das sich aufs Sympathischste von den großen Komikerpaaren eine Scheibe klaut. Den Herren Dunham und Blain gelingt es, ohne Trittbrettfahrerei über den eigenen Tellerand hinaus zu blicken. So ironisieren sie den eigenen Berufsstand und stellen, erschöpft von den vielen Bühnentoden bei Shakespeare in der Neuzeit angekommen, fest: Es sei leider heutzutage nicht das große Geld mit der Schauspielerei zu verdienen. Es sei denn, man gründet eine Schauspielschule. Die Klientel steht offensichtlich nicht nur in Berlin, sondern auch in London bereit, ist gläubig, formbar und, das ist das Wichtigste, zahlungswillig. Man erhält dafür eine Ausbildung „Don't be nervous“, gute Ratschläge, für die Damen: der Rock so kurz wie möglich und Stöckelschuhe nicht unter zehn Zentimern, und die Garantie der anschließenden Arbeitslosigkeit. Das ist sie, „The wonderful, wonderful sexy world of theatre.“
Susanne Raubold
Bis 7.Mai (außer 1.Mai) um 21 Uhr im Schauplatz Theater, 1/61 in der Dieffenbachstr. 15. Tel: 694 55 85
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