TANIA MARTINI LEUCHTEN DER MENSCHHEIT : Berlin, so hässlich in Büchern
Eine ganze Schwemme von Berlin-Hass-Büchern kommt in diesem Herbst auf den Markt. Die meisten schreibenden Berlin-Hasser kommen aus Restdeutschland, also aus der Provinz, und arbeiten sich an Klischees ab. Der andere Teil ist im Hauptstadtgrauen ansässig und hasst strategisch antizyklisch gegen den Hype. In ihrem Hass haben sie einiges gemeinsam. Aber vergessen wir diese Selbststilisierung und sprechen wir besser von Ressentiments. Weiß eigentlich noch jemand, dass der Begriff ursprünglich mal ein Gefühl von Dankbarkeit bezeichnete? Zurück zu den Gemeinsamkeiten. Von welcher Art ist ihr Ressentiment?
Ihr Berlin-Ressentiment ist letztlich so kleinbürgerlich wie der Karl-Heinz, der in Kreuzberg, wo es nichts zu sehen gibt, in kurzen Hosen aus dem Touristenbus steigt und bei dessen Anblick sich erahnen lässt, wie man sich im Rest der Welt einen Deutschen vorstellt. Die Kleinbürger, sie wollen ständig davon erzählen, dass Berlin doch gar nicht so toll ist. Es ist dreckig und arm und der Berliner ist schroff, ganz eigentlich ein Prolet. Der kleinbürgerliche Charakter arbeitet sich ständig an dem ab, was er nicht ist. Nach unten wie nach oben verteidigt er sich, um seine eindeutige Welt zu schützen.
Das Berlin-Ressentiment, es ist zutiefst provinziell. So wie der Wiener, der in der schlimmsten aller Provinzstädte lebt, muss der geistige Provinzler ständig über seine Stadt sprechen. Er plänkelt kulturalistisch herum und überlässt die Verteilungskämpfe den anderen. Denn der Ressentimentgeladene, er ist ohnehin und letztlich immer bloß das Opfer.
■ Die Autorin ist Redakteurin im Kulturresort der taz Foto: privat