Kulturkämpfe etc.: T-Shirt mit Nofretete
■ Das Waigelsche Streichkonzert im Hochgebirge der deutschen Kulturlandschaft
Deutschland 1995: Die Akademie für Sprache und Dichtung schließt ihre Pforten. Mit ihr verschwindet der hierzulande renommierteste nach Georg Büchner benannte Literaturpreis im Gully der Geschichte. Diesen Teufel sieht Gerhard Dette, Generalsekretär der Akademie, für den Fall an der Wand, daß die Pläne des Bundesfinanzministers Wirklichkeit werden, ab 1995 aus der Kulturförderung im Rahmen des Bund-Länder-Ausgleichs gänzlich auszuscheiden.
Elf der 18 Mitglieder des AsKI (Arbeitskreis selbstständiger Kulturinstitute), darunter die Marbacher Schillergesellschaft, die Wiesbadener Gesellschaft für deutsche Sprache und das Berliner Bauhaus-Archiv, werden bislang vom Bund institutionell gefördert, der Rest erhält zumindest Projektzuschüsse. Da an der Mischfinanzierung von Bund, Ländern und Kommunen ersterer mit bis zu 66 Prozent beteiligt ist, würden die Waigelschen Streichungen für die meisten Institutionen das Aus bedeuten.
Die Verantwortung des Bundes für den Bestand des 1967 gegründeten Vereins leitet sich nicht nur aus der kulturell bundesweit bedeutsamen Arbeit der einzelnen Mitglieder ab, sondern auch aus jener, die unmittelbar wieder in politischen Prozesse einfließt.
Zwar verbucht Günther Pflug, Direktor der Gesellschaft für deutsche Sprache, die Vergabe der Silbermedaille an Helmut Kohl bei der Wahl zum „Unwort des Jahres“ inzwischen nicht mehr auf der Habenseite. Aber mit der Rechtschreibereform, der Redigierung neuer Gesetze sowie der Unterstützung von Standesbeamten bei der Vergabe von Vornamen (etwa kurdischer, die in türkischen Namenslisten nicht auftauchen) bewältige die Gesellschaft Aufgaben, die selbstverständlich auch aus Bundesmitteln finanziert werden müßten.
Noch im Dezember 1990 hatte der Bundestag dies genauso gesehen. Seine Entschließung zu den „Grundsätzen und Zielen staatlicher Kulturpolitik“ beinhaltete ausdrücklich die Forderung, die im AsKI zusammengeschlossenen Institute auch fürderhin finanziell zu unterstützen. Dessen Vorsitzender Sieghardt von Köckritz beklagte vor allem die Unsicherheit in bezug auf Planung und Forschung, die die Verlautbarungen aus dem Finanzministerium hervorriefen. Welcher Sammler oder Mäzen wolle sich schon auf Verhandlungen mit Instituten einlassen, die vielleicht schon bald nicht mehr existieren.
Gefährdet – um nur einige der bedrohten Projekte zu nennen – wären beispielsweise die Weiterführung der Brentano- und Hofmannsthal-Ausgabe am Freien Deutschen Hochstift in Frankfurt und die neue wissenschaftlich- kritische Gesamtausgabe der Werke Beethovens im Bonner Beethoven-Haus. Der AsKI- Vorsitzende fordert deshalb eine klare perspektivische Zuschußgarantie von Seiten des Bundes und regt einen Austausch mit Experten des Finanzministeriums an. Ziel ist es, die Kompetenzen der einzelnen Direktoren zu erweitern, die zum Teil altehrwürdigen Haushaltssysteme der Institute flexibler zu gestalten und Anstöße in Sachen moderne Vermarktung zu geben. Ein „T-Shirt mit Nofretete“, so von Köckritz, müsse ja nicht den Gipfel innovativer Ideen markieren.
Zur Zeit trägt der Bund lediglich fünf Prozent der bundesweiten Kulturförderung, der Löwenanteil entfällt auf die Länder und Kommunen. Die jetzt avisierten Streichungen würden voraussichtlich zu Einsparungen von etwa 0,15 Prozent im Bundeshaushalt führen. Wenn Waigel angesichts der bevorstehenden Wahlen wegen einer derartigen Lappalie die gesamte im AsKI versammelte Kulturaristokratie gegen sich aufbringt, wird deutlich, daß er hier nur vorsichtig die Spitze jenes Eisbergs ans Licht bringt, mit dem er sich ein Loch in seinen Kassendampfer gerissen hat. Bernd Imgrund
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